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Bei Jäger-und-Sammler-Völkern wie den San in Südafrika gibt es kooperative Beziehungen zwischen verschwägerten Mitgliedern der Gruppe.

Foto: APA/EPA/KIM LUDBROOK

Washington/Wien - Die Erde am Beginn eines neuen Jahrtausends: Der Planet wird praktisch vollständig von einer einzigen Tierart beherrscht: einem Primaten namens Homo sapiens. Kultur und Kooperation sind sein Erfolgsrezept. Doch wie kam es dazu?

Einen Erklärungsansatz lieferte 2008 der kanadische Forscher Bernard Chapais. Gemäß seiner Theorie war es der Übergang von sexueller Promiskuität zu monogamem Paarungsverhalten, der den Beginn der kulturellen Evolution unserer Spezies markierte. Ab diesem Punkt sei es für männliche Urmenschen möglich gewesen, ihre eigenen Kinder zu kennen, was weitreichende Folgen hatte: Die Anzahl der familiären Beziehungen stieg sprunghaft an. Solche Bindungen hielten meist ein Leben lang.

Wenn junge Männer oder Frauen eine Gruppe verließen, um woanders auf Partnersuche zu gehen, erkannte man sich auch später wieder. Die Verwandtschaftsbeziehungen verringerten die Aggression zwischen den einzelnen Horden und förderten Austausch und Kooperation, so Chapais.

Eine neue Studie scheint dieses Erklärungsmodell zu bestätigen. Ein internationales Forscherteam unter Leitung des US-Anthropologen Kim Hill von der Arizona State University hat Daten zur Sozialstruktur von insgesamt 32 verschiedenen Jäger-und-Sammler-Gesellschaften zusammengetragen und miteinander verglichen. Wie die Forscher im US-Wissenschaftsmagazin Science (Bd. 331, S. 1286) schrieben, zeigen die Ergebnisse ein faszinierendes Muster. Im Gegensatz zu den bisher gängigen Annahmen bestehen zusammenlebende Gruppen in Naturvölkern nicht überwiegend aus Blutsverwandten.

Kooperative Beziehungen

Die Untersuchung zeigt noch weitere Details. Im Gegensatz zu anderen sozialen Tierarten gehen bei Homo sapiens offenbar Vertreter beider Geschlechter auf Wanderschaft. Gleichzeitig jedoch leben Brüder und Schwestern oft zusammen in derselben Gruppe. Dadurch wiederum bilden sich kooperative Beziehungen zwischen Verschwägerten. Auch dies hatte bereits bei Urmenschen zwischenmenschliche Zusammenarbeit und somit die kulturelle Entwicklung begünstigt.

Hill und Kollegen meinen, dass ihre Forschungsergebnisse ein starkes Indiz für die Richtigkeit von Bernard Chapais' Theorie zur Geburt des Gesellschaftswesens ist. Bunt durchmischte Gruppenstrukturen wären somit eine Art soziales Basisprinzip, welches für den enormen evolutionären Erfolg unserer Spezies verantwortlich sei. "Monogamie ist sicherlich ein wichtiger Bestandteil davon, was Menschen so besonders macht", erklärt Kim Hill im Gespräch mit dem Standard. Allerdings gehe der entscheidende Einfluss dabei eher vom väterlichen Investieren in seinen eigenen, nunmehr erkennbaren Nachwuchs aus, fährt der Forscher fort. "Bei stabilen polygynen Bindungen würde man irgendwann dieselben Effekte sehen."

Vielehen kommen bei Naturvölkern aber kaum vor. In Jäger-und-Sammler-Gesellschaften ist es für Einzelne eben schwierig, genug Güter anzusammeln, um mehrere Partnerinnen zu ernähren, erläutert Hill. So dürfte das auch bei unseren entfernten Vorfahren gewesen sein.

Unsere entferntesten Vorfahren dürften übrigens aus Südafrika stammen, wie eine andere - allerdings genetische - Untersuchung an Jäger- und Sammlervölkern ergab, die diese Woche im Fachblatt PNAS (8.3.) erschien. Die Forscher fanden bei Vertretern der San oder der Hadza in Tansania eine sehr viel größere genetische Variation als bei allen anderen untersuchten afrikanischen Völkern. Das lässt darauf schließen, dass die Wiege des Homo sapiens in Süd- und nicht in Ostafrika stand. (Kurt de Swaaf /DER STANDARD, Printausgabe, 11.03.2011)