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Protest gegen das Verbot, in Unterwäsche am Balkon zu sitzen: "Unser Balkon ist unsere Burg"

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Inna Shevchenko (m.): Vielleicht nennen sich alle Frauen in Europa in zwei Jahren Femen

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Auch der angeblich sexistische Kurs von Präsident Janukowitsch stößt den Femen sauer auf.

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Und auch Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi erregte die Wut der Femen.

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Hier demonstrieren die Femen gegen das Gewinnspiel eines neuseeländischen Radiosenders, der dem Gewinner eine ukrainische Frau versprach. "Die Ukraine ist kein Bordell."

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"Our god is woman, our mission is protest, our weapons are bare breasts": Die feministischen Demonstrantinnen der Gruppe Femen erregen seit knapp drei Jahren in der Ukraine und darüber hinaus Aufmerksamkeit. Ob gegen den Staatsbesuch von Silvio Berlusconi, Sextouristen oder Ägyptens inzwischen gestürzten Staatschef Hosni Mubarak: Femen geht dagegen auf die Straße – nackt. In der Hauptstadt Kiew und in zwei weiteren Städten gibt es Gruppen, 30.000 Unterstützer hat die Gruppe eigenen Angaben zufolge.

derStandard.at: Tortenwerfen, Schlammschlachten, Oben-Ohne-Aktionen: wie kam es dazu, dass Sie diese hollywoodesquen Formen des Protests vereinnahmten?

Inna Shevchenko: Wir sind eine Bewegung von jungen, gebildeten und modernen Frauen, Anna (Anm.: Hutsol, Gründerin von Femen) mit ihren 26 Jahren ist tatsächlich die "Dorfälteste" bei Femen. In der postsowjetischen Ukraine aufzuwachsen hieß einerseits die Freiheiten des Westens durch Reisen kennenzulernen bei gleichzeitiger sozialer Tristesse hier in Kiew. Die Mietpreise haben westliches Niveau erreicht bei einem Durchschnittslohn von etwa 300 Euro. Bis heute gibt es absurderweise im Sommer einfach kein heißes Leitungswasser in Kiew, die Verantwortlichen interessiert das einfach nicht, die Korruption ist unglaublich, der Sextourismus explodierte förmlich und deren Einfluss reicht bis ins Parlament.

Fast ausnahmslos wurde irgendwann jede unserer weiblichen Femen-Aktivistinnen von ekelhaften, betrunkenen Sextouristen angemacht oder angegrapscht. Alle glauben sie einen kaufen zu können. Und klar, Ukrainerinnen sind die schönsten Frauen der Welt (lacht) und es liegt in unserer Kultur, sich sexy zu kleiden.

Shevchenko: Natürlich ist uns bewusst, dass unsere Protestmethoden per se nichts neues sind, doch die Ukraine ist ein durch und durch patriarchalischer Staat geblieben und andere Arten des Protests funktionieren hier einfach nicht. Wir brauchen das Medieninteresse, um etwas verändern zu können. Wir treffen uns weiterhin in unserem Stammcafé und diskutieren wirklich alle Arten von unterschiedlichen Protesten durch, auch Aktionen wie die erfolgreiche Vertreibung der japanischen Walfangflotte durch Paul Watson (Anm. Aktivist von SeaSheperd) beobachten wir gerne.

derStandard.at: "Our god is woman, our mission is protest, our weapons are bare breasts": Ihre Kampagnen beschränkten sich anfangs auf relativ stringente feministische, jedoch nationale Themen, gerade in den letzten Wochen protestierten Sie aber auch gegen Mubarak, gegen Berlusconi, solidarisierten sich auch mit Tierrechtsbewegungen. Wie sieht die Zukunft von Femen aus?

Shevchenko: Wir von Femen haben zwei Träume: der eine ist es hier in der Ukraine so schnell wie möglich eine politische Partei zu werden, die natürlich demokratisch, natürlich radikal und natürlich für Frauen ist. Der andere ist es eine internationale Bewegung zu werden. Vielleicht nennen sich alle Frauen in Europa in zwei Jahren Femen (lacht).

Überall hören wir von Demokratie und Freiheit, nur um dann festzustellen, dass es das hier nicht gibt, die Medien können nicht frei schreiben, es gibt unzählige Probleme in diesem Land und wir sorgen und kümmern uns darum. Und wenn man selbst gut leben oder den Kindern eine normale Lebenssituation ermöglichen will, dann muss man was tun, first things first, step by step!

Der Sextourismus ist weiterhin der tiefste Stachel im Körper der Ukraine. Keine Regierung hat bisher etwas dagegen unternommen, auch die orange Revolution brachte nichts. Julia Timoschenko, für mich ein Mann im Kleid, war eher darauf bedacht, sich selbstzubereichern und scherte sich einen Dreck um Frauenrechte! Außerdem ist weiterhin Prostitution zwar gesetzlich verboten, deren Nutzung aber nicht. Die Regierung tut sogar alles daran, diesen "Wirtschaftszweig" noch mehr auszubauen. Weiters hat der jetzige und vormalige Präsident Janukowitsch keine einzige Frau in sein Kabinett ernannt, wir waren die einzigen die dagegen protestiert haben.

derStandard.at: Dem Staat scheinen aber ihre Zukunftpläne weiterhin weniger zu gefallen, bei den letzten Aktionen wurden mehrere Aktivistinnen verhaftet?

Shevchenko: Ich habe heute erst meine Kollegin Aleksandra vom Gefängnis abgeholt, die wegen der Aktion vor der italienischen Botschaft zu zwei Tagen Haft verurteilt wurde. Ich selbst war auch schon zwei Tage im Gefängnis. Früher mussten wir nur eine Pönale zahlen und wir wissen nicht, wie lange sie uns das nächste Mal einsperren. Früher verhafteten sie auch nur unsere Topless-Protestiererinnen, jetzt auch wenn wir bekleidet sind es gibt ja übrigens auch kein Gesetz in der Ukraine, das es verbietet mit nackten Brüsten durch die Gegend zu laufen (lacht). Ich arbeitete neben meinem Journalismusstudium bei der staatlichen Pressestelle, eines Tages zeigten sie mir ein Foto von mir auf einer Demonstration und ich war den Job los. So ist das hier. Wir werden kontinuierlich weiterkämpfen und durch nichts aufhören, denn wir wir wissen, dass sich vom Präsidenten abwärts alle immer vor unseren Brüsten fürchten. (Stefan Draschan, derStandard.at, 13.3.2011)