Bild nicht mehr verfügbar.

Blut im Urin bedarf immer der Abklärung.

Foto: APA/Robert F. Bukaty

Es gibt schöne Worte für unschöne körperliche Phänomene:Hämaturie zum Beispiel.Medizinisch bedeutet es "Blut im Urin" und sollte - auch wenn nur einmalig beobachtet und ohne Schmerz - die dringende Aufforderung zur Abklärung der Ursachen sein. Denn Hämaturie kann ein Symptom für Blasenkrebs sein. Durchschnittlich tritt er nach dem 60. Lebensjahr auf, dreimal häufiger bei Männern als bei Frauen. Je früher die Erkrankung entdeckt wird, umso besser stehen die Chancen auf Heilung.

Für Laien vorneweg:Die Blase ist ein Muskel. Ganz grob unterscheidet man zwischen zwei Formen: nicht-muskelinvasive Tumore und muskelinvasive Tumore. "Erstere sind recht gut behandelbar, kommen aber immer wieder" , sagt der Österreicher Arnulf Stenzl, Vorstand der Urologie an der Universität Tübingen. Deshalb geht es den Onkologen in der Urologie darum, möglichst alle Tumorzellen in der Blase sichtbar zu machen und dann chirurgisch entfernen zu können. "Ein großer Fortschritt war die Endoskopie mittels Fluoreszenzlicht" , sagt Richard Zigeuner von der Uniklinik für Urologie an der Med-Uni Graz. In Wien werden aber auch neuere Methoden, die ohne Fluoreszenz auskommen, diskutiert.

Bei den nicht-muskelinvasiven, oft wiederkehrenden Blasentumoren gibt es aber auch eine zweite wichtige Forschungsfront: die Diagnostik.

Zielgerichtet suchen

State of the Art sind aufwändige, teure und für Patienten unangenehme Blasenspiegelungen. Das Wunschziel der Forscher sind indes Biomarker, also vom Krebs erzeugte Substanzen, die sich durch einen einfachen Test im Harn nachweisen lassen. "Derzeit ist noch keiner der Biomarker gut genug, um herkömmliche Methoden zu ersetzen" , kommentiert Zigeuner. Ganz so pessimistisch sieht Arnulf Stenzl das nicht:Für ihn wäre ein Screening vor allem in Risikogruppen (z.B. Raucher) denkbar, da sich auf diese Weise auch das Wissen um die an Blasenkrebs beteiligten Eiweiße und Gene ständig verfeinern ließe. "Es gibt gute Ansätze, wir brauchen aber noch Zeit, um zu experimentieren."

Für nichtinvasive Blasentumore ist Immun- oder Chemotherapie auf die lokale Anwendung der Medikamente direkt in die Blase beschränkt, um "herumschwirrende Tumorzellen an Ort und Stelle zu erwischen" , erklärt Stenzl. Beim Carcinoma in situ wird therapeutisch mit abgeschwächten Tuberkulose-Bakterien, wie sie auch in Impfstoffen verwendet werden, behandelt. Warum? "Die so genannte BCG-Therapie ist eine Art Impfung, die die körpereigene Immunabwehr stimuliert und Zytokine produziert, die Blasenkrebszellen attackieren" , erklärt Zigeuner.

Beide Urologen sind sich indes einig, dass die wirklich schweren Formen von Blasenkrebs diejenigen sind, bei denen der Tumor bereits die Blasenwand durchdrungen hat. In Tübingen wird derzeit an Verfahren wie Hyperthermie (Erhitzung) oder "Electromotive infusion application" -Verfahren (EMDA) gearbeitet, hier werden mittels Strom via Anode und Kathode Chemotherapeutika durch die Blasenwand "gepumpt" . Dasselbe ist mit Hitze möglich.

Sind die Tumoren schon weit fortgeschritten, bleibt nur die Entfernung der Blase, routinemäßig samt Geschlechtsorganen - die Prostata bei Männern, Gebärmutter, Harnröhre und Teile der Scheidenvorderwand bei Frauen. Patienten müssen sich in diesem Fall entscheiden, ob der Harn dann durch ein Conduit in einen Plastiksack an der Bauchdecke nach außen geleitet wird oder ob sie eine aus Darm "nachgebaute" Neoblase möchten; diese dem ursprünglichen Strukturen nachgebildete Blase ist unbedingt in Betracht zu ziehen, sagt Stenzl. Urinieren funktioniert dann anders, etwa unter Zuhilfenahme der Bauchpresse oder mittels Katheter mehrmals täglich - statt Harndrang verspüren Patienten dann eher Völle- oder Druckgefühl. Dass Lebensqualität in beiden Fällen möglich ist, haben Studien aber eindeutig gezeigt. Die Aufklärung der Patienten sei bei diesen schweren Eingriffen zentral, sagt Zigeuner. Auch das umfassende Entfernen von Lymphknoten habe sich bei diesen schweren Formen von Blasenkrebs als für die weitere Prognose günstig herausgestellt.

Lebensqualität erhalten

Für Stenzl, der bei der Formulierung der europäischen Guidelines für Blasenkrebs involviert war, ist eines zentral:Die Operation muss bei Frauen wesentlich organerhaltender durchgeführt werden - genauso wie auf das hochverzweigte Nervensystem Rücksicht zu nehmen sei. Das sei zwar für Chirurgen sehr aufwändig, aber notwendig, um "Lebensqualität trotz großer Chirurgie zu ermöglichen" , sagt Stenzl. (Karin Pollack, DER STANDARD Printausgabe, 14.4.2011)