Der Bruder des Kampusch-Chefermittlers hat sich am Freitag nach mehrmaliger geplatzter Prozesstermine doch noch im Straflandesgericht Graz verantworten müssen. Der 56-Jährige soll nach dem Suizid seines Bruders u.a. Ermittlungsakten und Bargeld aus der Wohnung des Polizisten gestohlen haben. Der Angeklagte gestand die Mitnahme der Dokumente, bestritt aber Geld genommen zu haben. Der Grazer wurde großteils schuldig gesprochen und zu acht Monaten bedingter Haft verurteilt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Als sich sein Bruder Ende Juni 2010 in seiner Grazer Wohnung das Leben nahm, ging der 56-Jährige unerlaubt mit einem Schlüssel in die Räumlichkeiten und entwendete dabei eigenen Angaben zu Folge u.a. einen Daten-Stick mit vermeintlich "brisanten" Unterlagen, "mit denen der Fall Kampusch geklärt" werden könnte, einen Laptop und andere Dokumente. Der tote Bruder habe ihm zu Lebzeiten gesagt, dass er "die Sachen sichern und weiterführen" solle, wenn ihm etwas passiere, so der Angeklagte vor Gericht. Interessantes gefunden hat er bisher offensichtlich nicht.

Auch Tresor mit 5.000 Euro weg

Die Staatsanwaltschaft Graz warf ihm auch den Diebstahl eines Möbeltresors mit 5.000 Euro Bargeld vor. Davon wollte der Grazer nichts wissen, äußerte aber in dem Zusammenhang Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit der Polizei. Außerdem sei er überzeugt, dass sein Bruder ermordet und wegen seiner Ermittlungen gemobbt worden war: "Er erzählte mir öfter, dass ihm praktisch Prügel zwischen die Beine geworfen wurden," meinte der 56-Jährige unter Tränen. Sein Verteidiger sagte, dass die Idee vom Mord an seinem Bruder als "manisch" bezeichnet werden kann.

Für die Staatsanwaltschaft war der Fall klar: Es sei natürlich beschämend vor Gericht und Zuschauern zuzugeben, dass man seinen eigenen toten Bruder bestohlen hat, aber er hatte Geldsorgen - etwa 40 Exekutionen liefen gegen den gelernten Gärtner. Richterin Elisabeth Juschitz befand ihn des schweren Diebstahls, der Urkundenunterdrückung und der Exekutionsvereitelung für schuldig. In ihren Augen war er der einzige, der einen Schlüssel zur Wohnung hatte und in finanzieller Notlage war. Auch den Bereicherungsvorsatz sah sie erfüllt, denn laut einem SMS, in dem er angeblich nur seiner Schwester gegenüber gescherzt hatte, sei die Rede von 125.000 Euro seitens von Zeitungen für die Kampusch-Unterlagen gewesen. (APA)