Ein junger Mann aus Bangladesch im Camp Choucha an der tunesisch-libyschen Grenze: Eine Telefonnummer ist oft die ganze Hoffnung.

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Das Warten wird für die mehr als zehntausend Bangladescher, die aus Libyen nach Tunesien geflohen sind, immer unerträglicher. Während ihre ägyptischen Leidensgenossen längst in die Heimat ausgeflogen wurden, sitzen sie im Camp Choucha, sieben Kilometer nördlich des Grenzübergangs Ras Ajdir, fest. Tag für Tag hoffen sie auf eine Möglichkeit, die Zeltstadt, die unter Leitung der tunesischen Armee von internationalen Hilfsorganisationen errichtet wurde, verlassen zu können.

"Es gibt kaum Flüge. Die Regierung von Bangladesch ist arm" , erklären die Flüchtlinge, die angestellt sind, um Essen zu fassen. Kaum einer kann etwas Englisch oder Arabisch. Mit den Soldaten der Armee, den Freiwilligen und den Helfern der Hilfsorganisationen ist eine Verständigung meist nur per Handzeichen möglich.

4000 Bangladescher konnten bisher mithilfe der Internationalen Organisation für Migration (IOM) ausgeflogen werden. Mehr als 10.000 warten weiter. Sie müssen mit ansehen, wie die Flüchtlinge aus den umliegenden afrikanischen Ländern abtransportiert werden. Botschafter und Regierungschefs besuchen das Camp, sprechen den Ihren Mut zu. Nur um die Bangladescher kümmert sich niemand.

Missverständnisse und Konflikte sind in dieser angespannten Lage programmiert. So versuchten am Donnerstag Hunderte von Bangladeschern die langen Essensschlangen zu umgehen, indem sie sich an einem Vorratscontainer selbst bedienten. Es kam zu einem Handgemenge mit den ansonsten so geduldigen Soldaten der tunesischen Armee.

"Dass bei den Flüchtlingen aus Bangladesch die Nerven blankliegen, ist logisch" , entschuldigt ein Beamter der tunesischen Nationalgarde die Vorfälle vom Donnerstag. "Viele von ihnen wollen eigentlich gar nicht nach Hause. Dort erwartet sie noch mehr Armut" , berichtet er. Ob sie jemals eine zweite Chance auf Arbeit im Ausland erhalten, ist nicht klar.

Großzügige Tunesier

"Die Transportfrage für die Menschen aus Bangladesch ist unser einziges richtiges Problem" , gibt der Sprecher der Leitung des Flüchtlingscamps, Oberst Feithi Bayoudh, unumwunden zu. Die Versorgung mit Lebensmitteln sei dank der Spenden der tunesischen Bevölkerung "auf Wochen hinaus gesichert" . Die gesundheitliche Situation haben die Hilfsorganisationen ebenfalls im Griff. "Wir haben ein paar Fälle von Krätze. Aber bisher gibt es keinerlei Anzeichen für Epidemien" , erklärt Oberst Bayoudh zufrieden. Er ist nicht nur Sprecher der Armeeführung am Ort des Geschehens, er ist auch Militärarzt.

16.000 Menschen befinden sich derzeit im Camp. Rund 2000 kommen täglich hinzu. "Doch wir fliegen mindestens doppelt so viele pro Tag aus" , berichtet der Oberst, der hofft, dass sich das Lager in den kommenden zwei Wochen fast völlig leeren wird. Allein aus Ägypten wurden seit dem vergangenen Wochenende 65.000 Flüchtlinge im Lager aufgenommen und in ihre Heimat zurückgebracht.

Rund um das Lager werden weitere Flächen planiert, Latrinen und Duschen errichtet, neue Zelte aufgebaut. "Wir haben Platz für etwas mehr als 20.000 Menschen" , erklärt Bayoudh. Die Organisatoren haben dennoch beschlossen, weitere Kapazität zu schaffen. "Wir wollen auf alles vorbereitet sein" , sagt der Oberst. (Reiner Wandler aus Ras Ajdir /DER STANDARD, Printausgabe, 12.3.2011)