Die Angeklagten wurden zum einjährigen "Jubiläum" von Sympathisanten vor dem Gerichtsgebäude mit Essen, Sekt und Blumen versorgt.

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Zum Ein-Jahres-Jubiläum gab es zwar für die Angeklagten im Tierschützerprozess in Wiener Neustadt nichts zu feiern: Sie wurden dennoch mit Essen, Sekt und Blumen von Sympathisanten vor dem Gerichtsgebäude empfangen. Das Prozessende ist mit 2. Mai dieses Jahres angesetzt. Daher wurde länger verhandelt, diesmal bis 18 Uhr.

Am Programm standen wieder die Gutachten des linguistischen Sachverständigen Schweiger. Der Gutachter steht im Kreuzfeuer der Kritik, da sich in den Texten, die er für seine Gutachten heranzog, zahlreiche Rechtschreib-, Tipp- und Satzzeichenfehler befinden. Auch Absätze und ganze Wörter verschwanden oder wurden verändert. Schweiger kann dafür keine genau Erklärung mehr finden, da seine Arbeit bereits drei Jahre zurück liege. Er bot zahlreiche Erklärungsmodelle an: Die Texte seien fehlerhaft von der SOKO gekommen, Schweigers Scanner hätte den Text verändert und zusätzlich ein Rechtschreibprogramm Worte.

Auch Schweigers Methode wurde kritisch von der Verteidigung hinterfragt. Zum Schluss der Verhandlung gab Schweiger an, „unterschiedliche Methoden zusammengewürfelt zu haben". Zudem habe er eine eigene Methode erfunden, die sogenannte "Ranking-Methode". 

Genitiv als möglicher Beweis

Zum einen führte der Gutachter an, dass Satzzeichen und fehlende Worte für seine Analyse nicht relevant gewesen sein. Er ließ aber zunächst aus, dass das nur für die "Ranking-Methode" gilt. Andererseits waren diese Punkte bei seiner sprachlichen Analyse relevant: So befand er, dass Martin Balluch gerne den Genitiv verwende und oft Groß- und Kleinschreibfehler mache. Bei genauerer Betrachtung stellt sich aber heraus, dass das Charakteristiken sind, die sich erst nach der Übertragung in die Texte eingeschlichen haben und in den Originaltexten nicht zu finden sind. Martin Balluch nannte ein Beispiel: Aus "Refugium für Tierschützer" wurde "Refugium der Tierschützer". 

Verteidiger Mertens kritisierte Schweiger scharf: "Er produziert Fehler, die dann Balluch zugeordnet werden. Das ist haarsträubend." Verteidigerin Stuefer schloss sich an. "Wir haben heute den gesamten Tag darauf verwendet festzustellen, welche Texte der Gutachter verwendet hat. Das ist meiner Meinung nach genug, um von einer Mangelhaftigkeit zu sprechen."

Funk: Schlechte Anwendung von Paragraphen

Im Publikum befanden sich die Nationalratabgeordnete und Tierschutzsprecherin Christiane Brunner und der renommierte Verfassungsexperte Bernd-Christian Funk. Funk verortete, dass ein Verfahren nur so gut sein könne, wie die Paragrafen, die angewendet werden. Und die seien in diesem Fall schlecht. Weiters meinte Funk gegenüber derStandard.at: "Es gibt im Strafprozess einen menschenrechtlichen Grundsatz: Das Prinzip der sichtbaren Gerechtigkeit. Ich vermag es hier nicht zu erkennen." Das Fazit von Brunner: "Die Angeklagten gehören freigesprochen und entschädigt. Da muss sich die Republik Österreich halt etwas einfallen lassen."

Verteidiger Phillip Bischof forderte während der Verhandlung mehrmals die Enthebung Schweigers als Gutachter. Nach Ansicht der Verteidigung ist der Befund noch immer widersprüchlich und mangelhaft. Die Mängel konnten nicht durch die Befragung des Gutachters beseitigt werden. Der Sachverständige habe mehrmals unterschiedliche Angaben gemacht, wie die Originaldokumente in seinen Computer gelangt sind. Richterin Sonja Arleth bemerkte am Schluss, dass es auch die Möglichkeit eines Amtsweg gebe. Ob sie damit eine mögliche Enthebung Schweigers als Gutachter meinte, konkretisierte sie nicht. Am 17. März wird weiter verhandelt. (jus, derStandard.at, 11.3.2011)