Im Zuge der neuerlichen Prüfung der Dissertation von EU-Kommissar Johannes Hahn durch Stefan Weber wurde auch das Gutachten, das 2007 von der Universität Zürich erstellt wurde, mehrfach kritisiert. Die Uni Wien stellte es nun online. Aus dem Gutachten geht eindeutig hervor, dass lediglich von Plagiatsjäger Stefan Weber angezeigte Passagen überprüft wurden, nicht jedoch die gesamte Dissertation.

Gutachter Peter Schulthess, Professor für theoretische Philosophie, erklärt darin, er habe die "mangelnde Zitation von Leopold Kohr durch Johannes Hahn" geprüft und dazu das Original von Kohrs Schrift beigezogen". Jedoch: "Die Überprüfung sämtlicher Zitate beziehungsweise möglicher Plagiate wie auch der Methodik und Qualität der Dissertation wurde mir nicht als Aufgabe übertragen".

Schulthess hat also lediglich die "inkriminierten Passagen" überprüft. So heißt es in der Analyse des Züricher Professors etwa: "Hahn weist mehrfach deutlich auf den Text von Kohr hin, macht allerdings die Zitate nicht als solche durch Anführungszeichen kenntlich".

Kein Plagiat, aber "entschieden zu rügen"

Wohlwollend könne man Hahns Vorgehen wie folgt erklären: "Er hat die Darstellung in Kohr für seine Zwecke gekürzt, zum Teil leicht adaptiert und wolle nicht immer alle Auslassungen und Veränderungen als solche markieren", so Schulthess. Man könne festhalten, dass Hahn nirgends verschleiern wollte, dass er über Kohr spricht, heißt es weiter in dem Gutachten. Man könne nicht von einem Plagiat sprechen, wie wohl die fehlende Kennzeichnung der Zitate "entschieden zu rügen sei".

Kaschieren des Umfangs der Eigenleistung

Höchstens wäre Hahn unterstellbar, dass die fehlende Kennzeichnung der Zitate – wenn sie nichts aus Laxheit oder aus Gründen mangelnder Zeit ausgeblieben sind – dem Kaschieren des Umfangs der Eigenleistung dienen könnte. Schulthess übt in seinem Gutachten zudem Kritik am Doktorvater Hahns, dem eine "gewisse Mitveranwortung" treffe. "Ich hätte diese Dissertation wegen der mangelnden Form und allenfalls der Machart vor einer allfälligen Annahme formal überarbeiten lassen". Bei der Beurteilung der Arbeit sei zudem die Wissenschaftstradition zu berücksichtigen, in der Hahn steht. (Katrin Burgstaller, derStandard.at, 11. März 2011)