Werner Amon, doppelter Master of Business Administration (MBA), hat keine Angst vor Plagiatsjägern: "Gefährlich leben nur die, die's nicht selbst geschrieben haben."

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Standard: Sie fordern, dass Lehrer künftig mehr Zeit in der Schule verbringen müssen. Arbeiten die Lehrerinnen und Lehrer zu wenig?

Amon: Glaube ich nicht. Es geht nur um die Frage, welche Aufgaben überträgt man ihnen. Derzeit ist der Fokus ganz ganz stark im Bereich des Unterrichtens und daher mit viel Vor-, Nachbereitungs- und Korrekturarbeiten angefüllt. Aber die Gesellschaft wünscht, dass sich die Aufgaben verändern. Das sieht man am Bedarf für Nachmittagsbetreuung und spezielle Fördermaßnahmen. Das muss man neu definieren, die Arbeitsbedingungen entsprechend aufsetzen, dann kann man auch den Lehrer ins Zentrum dieser neuen Aufgaben stellen. Ich dachte, es ist ein guter Zeitpunkt, das vor den Verhandlungen über das neue Lehrerdienstrecht zu sagen.

Standard: Ihr "Angebot" an Unterrichtsministerin Claudia Schmied, alle Hauptschulen in Neue Mittelschulen umzuwandeln, wirkt trickreich - denn damit wäre die Idee einer gemeinsamen Schule natürlich auf Jahre tot. Alles bleibt beim alten zweigliedrigen System, es heißt nur anders.

Amon: Wir brauchen ein System, das den Kindern gerecht wird. Wir haben auch sehr viele Kinder, die scheitern, weil sie überfordert sind, die in der falschen Schule sitzen, weil die Auswahl nicht danach getroffen wird, wie leistungsfähig sie sind, sondern nach dem sozialen Hintergrund. Dagegen muss sich ein Bildungssystem wehren, und man muss auch die Eltern stärker einbeziehen. Ganz wichtig ist hohe Durchlässigkeit. Es darf keinen Abschluss ohne Anschluss geben. Ich weiß, wovon ich rede. Ich habe selber viel im zweiten Bildungsweg gemacht.

Standard: Einer Ihrer Schulkollegen hegt Zweifel, ob Sie die Handelsschule überhaupt regulär abgeschlossen haben. Haben Sie?

Amon: Es stimmt, ich habe als Externist den Abschluss gemacht. Ich war in dem Jahr Bundesschulsprecher und hatte sehr viele Fehlstunden und musste daher als Externist abschließen. Aber ich bin da ja nicht stehen geblieben, Gott sei Dank.

Standard: Die meisten Studien sagen, dass ein Bildungssystem mit diversen Hürden die soziale Durchlässigkeit eben nicht fördert, dass genau deswegen viele Kinder in der falschen Schule sitzen, nämlich die aus bildungsfernen Familien in den Hauptschulen, und die aus bildungsnahen im Gymnasium.

Amon: Die Antwort kann aber nicht sein, wir machen jetzt eine Schule und dann sitzen alle Kinder in der richtigen Schule. Plakativ gesagt: Ein Kind, das aus einem Haushalt kommt, in dem es viele Bücher gibt, greift eher zu einem Buch, als ein Kind, das aus einem Haushalt ohne Bücher kommt. Da kann die Schule nur teilweise ausgleichen. Die Organisationsform, das sagen auch viele Experten, ist nicht das Entscheidende. Wir müssen die Kinder dort abholen, wo sie stehen. Das kann ich in einer gemeinsamen Schule machen, das bestreite ich nicht. In Finnland gelingt das sehr gut. Ich kann es aber selbstverständlich auch in einem System machen, wie wir es in Österreich haben.

Standard: Ein Gesamtschulsystem geht mit Ihnen also auf keinen Fall?

Amon: Ich glaube, dass wir mit der Erfahrung, die wir haben, gut daran tun, das System, so wie es ist, weiterzuentwickeln.

Standard: Die ÖVP stellt mit ihrem neuen Schulkonzept das Gymnasium quasi unter Artenschutz. Im Jänner-Konzept hätten noch alle Schüler die "Mittlere Reife" zum Aufstieg in eine höhere Schule erwerben müssen, also auch von der AHS-Unterstufe in die Oberstufe. Das ist jetzt raus. Warum geht die ÖVP davon aus, dass die Kinder, die einmal im sicheren Hafen der AHS gelandet sind - und es ist bekannt, dass bildungsnahe Familien alles tun, um sie dort unterzubringen - in der "richtigen Schule" sitzen, während die anderen immer neue Hürden bekommen?

Amon: Die "Mittlere Reife" soll ja keine "Knock-Out-Prüfung" , sondern ein definiertes Bildungsziel sein - das ist ein Paradigmenwechsel. Zum ersten Mal sagen wir, es reicht nicht, neun Pflichtschuljahre zu haben, sondern knüpfen das an das Erreichen eines Bildungsziels. Alle in der Polytechnischen Schule sollen mit der Mittleren Reife abschließen. Sie ist auch eine Orientierungshilfe für künftige Lehrbetriebe. Für Schüler anderer Schulen ist sie ein Angebot. Wenn es sich bewährt, soll man die Mittlere Reife weiter entwickeln.

Standard: Muss ein Bildungssprecher Matura haben?

Amon: Ich glaube nicht. Ich muss auch nicht ein guter Koch sein, um beurteilen zu können, ob mir eine Palatschinke schmeckt oder nicht.

Standard: Sie sind MBA-Absolvent der IMADEC University in Wien und auch Mitglied im Board des Imadec-Alumni-Network. Stolz auf Ihren prominenten Absolventen-Kollegen Saif al-Islam Gaddafi?

Amon: Ich habe ja nicht nur einen Abschluss der Imadec. Ich habe auch einen Abschluss der California State University und dort meinen ersten MBA gemacht. Davor habe ich an der Wirtschaftsuniversität den Universitätslehrgang für Werbung und Verkauf absolviert. Ich bin auch nicht im Alumni-Network im Board.

Standard: Auf der Imadec-Homepage sind Sie Board-Member Nr. 1.

Amon: Das ist interessant, aber das ist falsch.

Standard: Auf der Homepage stehen noch ganz andere Sachen. Seitenweise Ehrentitel, die die Imadec verliehen hat, obwohl sie das nicht durfte, 2006 hat der Verwaltungsgerichtshof alle Ehrentitel als rechtswidrig erkannt, sie wurde nicht mehr akkreditiert als Privat-Uni, im Juni 2010 wurde der Konkurs eröffnet. Ist das ein adäquater Ort für den ÖVP-Bildungssprecher?

Amon: Ich werde veranlassen, dass ich da gelöscht werde. Ich habe seit Jahren keinen Kontakt, hatte nie eine Funktion im Alumni-Network, besuche keine Veranstaltungen, gar nix. Als ich da studiert habe, war das ein MBA-Programm, das die California State University exportiert hat. Da wurden Nobelpreisträger als Vortragende eingeflogen und es war eine einzigartige Möglichkeit - ich war ja schon Abgeordneter -, quasi ein fremdsprachiges, höchst flexibles Auslandsstudium zu absolvieren.

Standard: Sie haben im selben Jahr, 2000, dort Ihren MBA gemacht wie Saif al-Islam Gaddafi - haben Sie ihn kennengelernt?

Amon: Ja, habe ich. Aber Sie müssen wissen, es war ein modulartiges System, das heißt, es war nicht ein permanenter Klassen- oder Studienjahrgang, sondern man kam halt ab und zu zusammen.

Standard: Wie erlebten Sie ihn?

Amon: Er war eigentlich ein nicht sehr auffälliger Student, eher unauffällig, der den Eindruck machte, dass er viel verändern will, dass er aufgeschlossen ist und offen, man wäre fast geneigt zu sagen, dass er einen liberalen Eindruck vermittelte.

Standard: Politiker, die einen akademischen Abschluss haben, leben im Moment ja etwas gefährlich. Die Plagiatsjäger sind unterwegs...

Amon: (lacht) Gefährlich leben nur die, die‘s nicht selber geschrieben haben.

Standard: Ihre Master-Thesis ist wasserdicht - oder haben Sie Angst, dass sich die Plagiatsjäger Ihre Arbeit genauer vornehmen?

Amon: Nobody is perfect, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass alles korrekt zitiert ist. (Lisa Nimmervoll, DER STANDARD, Printausgabe, 14.3.2011)