New York / Tokio - Zwei Tage lang klammerte sich ein 60-jähriger Japaner am Dach seines Hauses fest, das im Meer trieb. Am Sonntag wurde er vor der Küste der Provinz Fukushima geborgen. Er sei in "guter Verfassung", berichteten seine Retter. Neben den Schreckensnachrichten war die Meldung von der geglückten Rettung eine Ausnahme.

Behörden haben die Stärke des Bebens, das am Freitag Japan erschütterte, am Sonntag von 8,8 auf 9,0 nach Richter hinauf gestuft. Mehr als 1000 Leichen wurden nach offiziellen Angaben bis Sonntagabend geborgen. Allerdings galten allein in der besonders schwer getroffenen Region Miyagi rund 10.000 Personen nach wie vor als vermisst. 600.000 Bewohner mussten nach der Katastrophe laut Uno ihr Zuhause verlassen. Mehr als die Hälfte von ihnen fand in Notunterkünften Zuflucht. Tausende Häuser sind zerstört oder beschädigt, Millionen Menschen, ohne Wasser- und Stromversorgung.

Geschlossene Supermärkte, Schlangen vor Tankstellen

Schwer getroffen von der Flutwelle wurde die rund 130 Kilometer vom Epizentrum des Bebens entfernte Küstenstadt Sendai. "So viele Menschen haben ihr Leben verloren", sagte ein älterer Mann unter Tränen, wie newyorkdailynews.com berichtete. An den Stränden barg die Polizei aus Trümmern und Schlamm 200 bis 300 Leichen. Im Spital der Stadt sorgten sich Ärzte um knapp werdende Wasservorräte und warnten, dass schon am Montag die Lebensmittel ausgehen könnten.

Zahlreiche Supermärkte im Land waren geschlossen. In jenen, die geöffnet haben, kauften die Menschen die Regale leer. An Tankstellen, die noch in Betrieb waren, bildeten sich lange Schlangen, wo Wartende stundenlang ausharrten. Im Krisengebiet sollen sich rund 100 Deutsche aufhalten. Das Auswärtige Amt gab an, zur Hälfte von ihnen Kontakt zu haben. Weite Landstriche sind bei der Flutwelle überschwemmt worden. Vielerorts besteht das Problem, dass das Wasser nicht zurückgeht. Der Grund dafür ist, dass sich weitflächig der Boden gesenkt hat, wie der US-Seismologe Daniel McNamara der Huffington Post erklärte.

Riss in Erdkruste

Schätzungen von US-Forschern zufolge ist bei dem Beben ein bis zu 400 Kilometer langer und 160 Meter weiter Riss in der Erdkruste entstanden - wobei die Meinungen der Wissenschafter  auseinandergehen. Eine Platte soll um 16 Meter abgesunken sein. Experten zufolge hat der Erdstoß die Erdrotation beeinflusst. Bei dem Beben der Stärke 8,8 im Vorjahr in Chile hatte sich der Tag nach einer Verschiebung der Erdachse um etwa acht Zentimeter um 1,26 Mikrosekunden verkürzt. Nach der Katastrophe im Nordosten Japans hält nun auch der Vulkan Shinmoedake im Südwesten des Landes die Menschen in Atem. Er schleuderte am Sonntag Asche und Gestein in die Luft. (red, DER STANDARD, Printausgabe, 14.3.2011)