Tokio - Jede Katastrophe hat ihre Kassandra. Bei dem möglichen Super-GAU im japanischen Kernkraftwerk Fukushima war es der Seismologe Ishibashi Katsushiko, Professor am Institut für Stadtsicherheit in Kobe.

Manche japanischen Kernkraftwerke hätten eine "fundamentale Schwäche" in der Erdbebensicherheit, schrieb er 2007 in der International Herald Tribune, "ein GAU könnte Japan zerstören", sagte er kurz danach auch in einem Standard-Interview. Besonders gefährdet sei das Kraftwerk in Hamakoa.

Bauzeit zu seismischer Ruhe

Die Jahrzehnte zwischen 1955 und 1995, in denen die meisten japanischen Atomkraftwerke gebaut wurden, seien eine Zeit relativer seismischer Ruhe gewesen, warnte Ishibashi. Mit dem verheerenden Erdbeben in Kobe 1995 sei diese Phase zu Ende gegangen, für die kommenden 40 Jahre müsse mit stärkeren Beben gerechnet werden.

2006 hatte die japanische Atombehörde nach einigen Beben und darauffolgenden Störfällen in Atomkraftwerken neue Sicherheitsrichtlinien ausarbeiten lassen. Schon diese Unfälle bezeichnete Ishibashi als "nicht überraschend". Ishibashi saß in der Kommission, die sie ausarbeiten sollten, trat aber aus Protest zurück - weil die vorgeschlagenen Werte ein "ernsthafter Fehler" seien und potentielle Bodenbewegungen deutlich unterschätzten.

1000 GAL gefordert

Die ursprünglichen Vorschriften verlangten von manchen Reaktoren, die in vergleichsweise sicheren Gegenden stehen, nur eine Sicherheitsgarantie für Beben bis zu einer Stärke von 450 GAL. Ishibashi hingegen argumentierte für 1000 GAL, was etwa einem Beben von 7,3 auf der Richterskala entspricht. Unter anderem auf seine Forderungen hin wurden die Vorschriften schließlich für manche Reaktoren verschärft. Ein Beben der Stärke 9 dürfte aber auch Ishibashi überrascht haben. (red, DER STANDARD; Printausgabe, 14.3.2011)