Wien/Tokio - "Die Unsicherheit macht alle befangen." So beschrieb der österreichische Handelsdelegierte Martin Glatz am Sonntag die Stimmung unter den Österreichern in Japan. Diese Verunsicherung sei durch die Meldung, dass es im Kernkraftwerk Fukushima auch in einem zweiten Reaktor Probleme gebe, erneut gestiegen. "Die japanische Regierung ist mit Informationen sehr vorsichtig, um keine Panik entstehen zu lassen", sagte Glatz in einem Telefongespräch mit der Austria Presse Agentur. Politiker meldeten sich immer wieder vorwiegend mit "Durchhalteappellen" und Aufrufen zum Schulterschluss zu Wort.

"Interpretierte" Fakten

Die Fakten würden offenbar mit der Absicht präsentiert, die Bevölkerung nicht in Unruhe zu versetzen. Es entspreche der japanischen Mentalität, dass sehr zurückhaltend berichtet werde, so Glatz. Das mache es für die Österreicher besonders schwierig, da sie die wenigen vorliegenden offiziellen Informationen "richtig interpretieren" müssten.

Zwischen Beschwichtigungsparolen und den besorgten Bitten aus Österreich, sich doch in den Südwesten des Landes in Sicherheit zu bringen, harrt Doris G. in Tokio aus. Sie lebt und arbeitet seit vielen Jahren in der Hauptstadt, mit ihrem japanischen Mann hat sie ein dreieinhalb Monate altes Baby. "In Tokio gibt es in den nächsten Tagen eine 70-prozentige Wahrscheinlichkeit für ein Nachbeben der Stärke 6 oder höher - da möchte ich mich mit dem Baby nicht auf den Weg machen", sagte sie zum Standard. Falls sie die Stadt verlässt, würde G. versuchen, in Yokohama den Shinkansen zu nehmen und zu einer Freundin nahe Osaka zu fahren. "Von dort könnte ich den Kansai Airport leicht erreichen."

Es sei möglich, das Land zu verlassen, sagte Glatz. Am Sonntag hätten fast alle einen Platz bekommen. Der AUA-Flug am Sonntag nach Tokio fiel aus und damit der Rückflug am Montag. Für den heutigen Flug nach Tokio erwägt die Fluglinie, die Maschine via Seoul zurückfliegen zu lassen. Die Maschine würde in Narita sofort den Rückflug antreten, die Crew würde erst in der koreanischen Hauptstadt getauscht werden. Auch die Swiss hat am Sonntag ihren Flug nach Tokio gecancelt, es war am Sonntag noch nicht klar, ob der heutige Flug stattfindet. (red, DER STANDARD; Printausgabe, 14.3.2011)