Austrias first Quarterback. Der große Helmut Rhzihacek (Vienna Ramblocks) auf der Flucht vor Big Mean Bernie Mandl (Graz Giants). Football in Österreich vor rund 30 Jahren. Ein Bild aus dem Buch „First & Twenty“ von Dr. Stefan Herdey.

Foto: Stefan Herdey

Aus vielen der Postings zu Football-Artikeln hier auf derStandard.at geht für mich hervor, dass viele Football bzw. NFL-Interessenten/Fans nur wenig über die Szene in Österreich wissen. Dabei hat diese in den letzten Jahren eine in den meisten Bereichen erfreulich positive Entwicklung genommen. Was ist Football in Österreich? Wie funktioniert er? Wo stehen er im internationalen Vergleich? Und wo geht es hin? Fragen, deren Beantwortung ich hier versuche.

Teil 1: Historisches & bisherige Champions

Gespielt wird in Österreich seit den frühen 80er Jahren. Der erste Verein war jener der Vienna Ramblocks, deren Name ein skurril anmutendes Mischwort ist, welches typisch für jene Zeit vor 30 Jahren war, als man sich die Ausrüstung noch aus Waschmaschinenverpackungen und Motorradsitzen im DIY-Verfahren bastelte. Seither ist viel, sehr viel, passiert.

Die Bundesliga - heute Austrian Football League (AFL) - wird seit 1984 ausgespielt. Erster Meister war Salzburg (damals Lions, heute Bulls, Champions der Jahre 84 & 89). Den Titel des Rekordmeisters mit je zehn Pokalen teilen sich die Vikings Vienna (94, 96, 99, 00, 01, 02, 03, 05, 07, 09) und Graz Giants (86, 87, 88, 90, 91, 92, 95, 97, 98, 08). Den Meistertitel errungen haben außerdem die Vorarlberger Oscar Dinos (93), die Raiders Tirol (04, 06) und im Vorjahr - in ihrem Jubiläumsjahr (25) - erstmalig die Danube Dragons, vormals Kloster- bzw. Korneuburger, seit heuer in Wien (Stadlau) beheimatet. Ergibt 26 Titel, heuer geht es demnach um die Austrian Bowl XXVII.

Wasserkopf vs. Elite: Klassische Rivalitäten

Ähnlich dem College Football haben sich auch in der heimischen Bundesliga „Rivalries" entwickelt. Wenn auch mit noch weit weniger Geschichte und Tradition, sind sie auch hierzulande das Salz in der Suppe. Die größte und älteste Rivalität findet man zwischen den Graz Giants und den Vienna Vikings. Die beiden Rekordmeister mit je zehn Titel. Jahrelang bissen sich die Wiener an den Steirern die Zähne aus. Das nagte an den Hauptstädtern, aber noch mehr die Dekadenz, eine auch gerne offen zur Schau gestellte intellektuelle Überlegenheit der Grazer. Überzeichnet war die Situation in den 80er Jahren so, die ich auch nur aus vielen Erzählungen kenne, dass in Graz der Sport von einer universitären Elite praktiziert wurde, während man am Parkplatz des Trainingsgeländes der Wiener öfter mal tiefer gelegte Golf GTIs vorfand - auf der Hutablage demonstrativ (Ich spiele Football!) der Helm und die Shoulderpads präsentiert. Die Steirer hätten dafür nur Spott übrig gehabt. Eine Grazer Legende sagt, dass ein Spieler vor dem ersten Probetraining mit dem Maturazeugnis in der Hand zunächst mal zum präsidialen Rapport musste. Dr. Stefan Herdey, ein Grazer Rechtsanwalt, gilt als Wegbereiter des Sports in Österreich, streitet das aber ab. So selektiv wäre es nicht gewesen, man wollte lediglich sicherstellen, dass ein Rookie sich mehr als drei Spielzüge merken kann.

In den 90er Jahren kam dann mit Karl Wurm der Inhaber einer Wiener Marketingagentur an die Spitze der Vikings. Innerhalb weniger Jahre stellte der gebürtige Kärntner den Klub inhaltlich und ökonomisch auf völlig neue Beine und machte aus den Vikings den heute bislang erfolgreichsten Footballverein Europas. Die Grazer standen eine ganze Dekade nur mehr im Schatten der Wiener, die neben den zehn Austrian Bowls auch noch vier Euro Bowls in ihre Vitrine stellen konnten. Von dutzenden Nachwuchstitel und Serienerfolgen mit dem zweiten Team in der zweiten Klasse abgesehen. Erst in den letzten Jahren fanden die Giants auf die Siegerstraße zurück, die fast schon eingeschlafene Rivalität wachte umgehend wieder auf. Auch wenn heute keine Unterscheidung der Art „Student vs. Hackler" seriöser Weise mehr zu machen ist, sind die beiden nach wie vor Lieblingsfeinde.

Die Wiener sind auch in der zweiten bekannten Rivlary involviert. Die Danube Dragons, die hat man zwei Jahrzehnte nur belächelt. Die Rivalität war sehr einseitig, heißt: die Dragons glaubten bloß, es gäbe eine solche, wurden vom heutigen Stadtrivalen im günstigsten Fall nicht gänzlich ignoriert. Das änderte sich rapide, als der ehemalige Vikings-Spieler Ivan Zivko als Trainer dort anheuerte. Auch einige unzufriedene Spieler der Wikinger wechselten das Donauufer. Ein Affront. Mit ihm (Zivko) kam der sportliche Erfolg, der im Vorjahr zum ersten Titelgewinn führte. Die seit kurzem ausgespielte „Blue River Bowl" (so heißen alle Spiele zwischen Vikings und Dragons), die man bei ihrer Einführung noch ein wenig belächelt hat, die ist nun auch für die Wikinger eine wichtige Sache geworden, denn sie gewannen seither kein Spiel mehr gegen die ehemaligen Underdogs.

Die Raiders Tirol sind ein relativ neuer Klub (1992 gegründet) mit zwei Titelgewinnen in Österreichs Bundesliga. Die Spiele zwischen ihnen und den Graz Giants gelten zwar gemeinhin als die attraktivsten Begegnungen der Liga, eine besondere Rivalität besteht aber weder hier, noch gegen Wien.

Der Unterbau

Unter der AFL gibt es eine Division 1 und eine - nach regionalen Gesichtspunkten in Conferences eingeteilte - Division 2. Insgesamt sind 28 Mannschaften von 21 Vereinen (es gibt sieben Zweier Mannschaften) am Start. Mit den Prague Panthers (CZE/AFL), den Budapest Hurricanes (HUN/Div 2) und Zagreb Patriots (CRO/Div 2) spielen drei Teams aus Ländern mit, die bei uns eine Herausforderung suchen. In Österreich gibt es demnach derzeit 18 aktive Vereine. Diese Öffnung nach Europa hat beim Verband (AFBÖ) schon Tradition und stellt eine win-win Situation dar. Obschon der heimische Football in Summe deutlich stärker ist als jener dieser Länder, kann Österreich auch von der derzeit rasanten Entwicklung des Sports in diesen Regionen lernen. Und partizipieren. Es ist Credo des Ö-Footballs, gute Entwicklungen früh zu erkennen, sie zu unterstützen oder sogar mit auszulösen.

Auf- und Abstiegszenarien

Eines der größten Mankos der Liga, auf andere komme ich noch in einem späteren Teil der Serie, ist die mutwillig wirkende Einteilung der Mannschaften in Klassen. Eine offene Baustelle seit vielen Jahren. Trotzdem immer wieder versucht wurde, eine klare Regelung zu definieren, scheiterte man am Ende an der Umsetzung. Vereine können nach wie vor einen Aufstieg beantragen, absteigen darf so oder so jeder jederzeit. Kuriose Beispiele: der aktuelle Meister Danube Dragons kann eigentlich keine sportliche Qualifikation für die Bundesliga nachweisen, sind sie vor einigen Jahren als Dritter der zweiten Klasse auf Antrag aufgenommen worden. Selbiges gilt für die Salzburg Bulls, die als Zweiter (und ohne damals verpflichtender Relegation) aufgestiegen sind. Aktuell als Meister der zweiten Klasse in die Bundesliga aufgestiegen sind lediglich die Raiders Tirol und Black Lions (als Carinthian Falcons). Die anderen waren schon immer dort, oder wurden aufgestiegen.

Warum ist das so? Prinzipiell gibt und gab es dafür ein Regulativ. Immer wieder verlassen Klubs aber aus wirtschaftlichen Gründen die Bundesliga. Aktuell zum Beispiel St. Pölten, die das vor einigen Jahren schon mal machten. Fehlt dann ein Glied in der Kette und ist der Meister der Klasse darunter nicht im Stande aufzusteigen, dann kann es auch passieren, dass der Dritte einer Klasse in die darüber aufsteigt. Ein Zustand, der natürlich alles andere als wünschenswert ist. Eine Lösung ist aber nicht in Sicht, zu groß sind die Unterschiede im Umfeld der Klubs.

Im zweiten Teil (Dienstag) geht es um die internationale Standortbestimmung, das Regelwerk und um US-Profis in Europa.