Die Wiederkehr der Besten: The Jon Spencer Blues Explosion meucheln am 6. Juni im Wiener Flex.

Foto: Mute

Die Idee, ein Konzert als physisch heftigeres Ereignis zuzulassen, ist ein bisserl aus der Mode gekommen. Sobald es irgendwo zur Sache geht, schrauben sich alle gleich irgendwelche Dinger in die Ohren. Wozu geht man dann überhaupt auf eine Konzert? David Yow von The Jesus Lizard hat auf so ein Lulu vor seiner Bühne einmal angemessen reagiert und das Bubi öffentlich vorgeführt: "Uh, mummy! My ears hurt, it's so loud!" (Nachzusehen hier.)
Ja, so was gefällt mir schlichtem Gemüt.

Zu meinen schmerzlichen persönlichen Höhepunkten bezüglich Gehirnpenetration via Gehörgang zählen Scorn (im Wuk), My Bloody Valentine, natürlich Motörhead (im BA-Zelt) und Jon Spencer und seine Blues Explosion. Wobei es bei Spencer vor allem Russell Simmins am Schlagzeug war, der dort draufhieb, dass sich meine Trommelfelle anfühlten, als seien sie über Simmins Snare gespannt. In der Libro-Hall war das damals, da haben JSBE vor Skunk Anansie für Saalflucht gesorgt. Eine In-your-face-Band wie erwähnte Jesus Lizard. Ich habe sie später noch in New York, in der Arena und in Wiesen gesehen - "first we take Manhattan, then we take Wiesen" -  aber so knüppelhart waren sie nicht wieder.

Am 6. Juni wird wieder geknüppelt: Da tritt das Blues-Punk-Trio im Wiener Flex auf. Zuletzt sah man Spencer dort mit seinem Rockabilly-Outfit Heavy Trash bei einem Elvis-Exorzismus. Welt-Konzert. Damals hab ich mit Spencer ein Blind Date gemacht, ein musikalisches. Leider habe ich das Tape versemmelt, zumindest hab ich es nicht mehr gefunden.

Ein Blind Date geht so, dass ich jemandem Musik vorspiele, die mit dem Werk und/oder der Person in Zusammenhang steht. Der oder die Gefragte soll raten und kommentieren.

Spencer hat ja eine Reputation, in der der Journalistenfresser durchaus inkludiert ist. Aber wie bei all diesen bösen Buben des Rock'n'Roll - Ausnahme Lou Reed - sind sie dann aber eh lieb, wollen halt nur nicht mit deppertem Wikipedia-Gelaber belästigt werden. Steve Albini ist auch so einer.

Apropos, kleine Anekdote: Jan Delay hatte bei den Interviews zu seinem letzten Album ein Sparschwein am Tisch stehen. Bei Wikipedia-Fragen, also Fragen, die auch diese Müllhalde beantworten könnte, musste ein Euro ins Wikischwein geworfen werden: Neue Wege der Wertschöpfung in einen kriselnden Gewerbe.

Ich habe Spencer damals Songs von Bobby Bland, Jim Dickinson oder Vampire Weekend ("doesn't speak to me") vorgespielt. Da sprudelte der Anekdotenstadl, die Äuglein leuchteten und er erzählte von Aufnahmen in Jim Dickinsons Studio, der Zebra Ranch in der Nähe von Memphis, von Blues-Typen wie R. L. Burnside, Junior Kimbrough und anderen Urgesteinen. Ich muss echt noch einmal suchen, ob ich das nicht doch noch wo finde.

Jedenfalls kehrt er jetzt mit seiner besten Band wieder. Nichts gegen Pussy Galore oder Boss Hog, aber so scharf wie mit der Blues Explosion war Spencer nie wieder. Bloß das affige "Blues-Explosion"-Gebell ist mir immer am Sack gegangen.

Kleines Vorspiel:

 

(Karl Fluch, 16. 3. 2011, derStandard.at)