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Da war die Welt für Areva-Chefin Anne Lauvergeon und He Yu, Boss der China Electricity Company, noch in Ordnung.
Paris - Die Ankündigung klingt so surreal wie unnötig: Areva "verschiebt" eine geplante Lieferung von Kernbrennstoff in den havarierten japanischen Atommeiler Fukushima. Die Chefin des französischen Konzerns, Anne Lauvergeon, begründete das mit der "Naturkatastrophe" in Japan. Wie schon 2010 hätte Areva im April eine Ladung "Mox" per Schiff an den dortigen AKW-Betreiber Tepco senden sollen. Das Gemisch aus Plutonium und Uran kommt in französischen und deutschen Reaktoren, aber auch in Japan zum Einsatz. Es ist energiereicher als normaler Kernbrennstoff, setzt bei einem Unfall mehr radioaktive Gase frei, verlangt mehr Kühlwasser. Deutsche Umweltschützer protestieren seit Jahren gegen die Castortransporte nach Gorleben. Das französische Anti-AKW-Netz "Sortir du nucléaire" erklärte, der Einsatz von Mox drohe eine nukleare Katastrophe in Japan zu beschleunigen.
Eine Sprecherin der für die Herstellung zuständigen Areva-Tochter Melox in Südfrankreich meinte am Mittwoch, die Verwendung von Mox habe "unseren Experten zufolge" keine besondere Auswirkung auf die Vorgänge in Fukushima. In den USA läuft wegen der Gefährlichkeit von Mox allerdings seit Jahren ein Verbotsverfahren.
Die drohende Atomkatastrophe erschüttert bei Areva nicht nur die Mox-Produktion: Der Konzern liefert die ganze Palette der Kernenergieprodukte; in westafrikanischen Minen baut er Uran ab, in der nordfranzösischen Anlage La Hague fertigt er Brennstäbe und bereitet Kernmaterial aus der ganzen Welt wieder auf, um es zu entsorgen. Dazu baut und wartet Areva Atommeiler auf der ganzen Welt. Sein Japan-Geschäft beträgt sieben Prozent des Umsatzes von elf Milliarden Euro. Bis vor kurzem noch feierte Lauvergeon die "Renaissance der Atomkraft". Dazu gehörte ihrer Meinung nach auch der Druckwasserreaktor EPR, auch "AKW der dritten Generation" genannt, der den Absturz eines Flugzeuges auf den Meilerkern überstehen würde, wie die Französin sagte.
Zuletzt mehrten sich bei den beiden EPR-Pionierbauten in Finnland und Frankreich Probleme und Verzögerungen. Areva und Électricité de France mussten mehrere hundert Mio. Euro zurücklegen. Auch der Bau herkömmlicher Reaktoren ist nicht rentabel. Der Staat, Eigentümer zu 97 Prozent, musste Areva 2010 fast eine Mrd. Euro zuschießen. Der Finanzbedarf wird bis mindestens 2012 auf jährlich 2,5 Mrd. Euro geschätzt, zumal der Konzern den Partner Siemens für dessen Ausstieg aus dem Gemeinschaftsunternehmen Areva NP mit 1,6 Mrd. Euro entschädigen muss. Die Deutschen machen mit der russischen Rosatom weiter. (Stefan Brändle aus ParisDER STANDARD, Print-Ausgabe, 17.3.2011)