Bejun Mehta ist am Sonntag im Theater an der Wien zu hören.

Foto: Marco Borggreve

Wien - Eigentlich hatte Countertenor Bejun Mehta den Gedanken aufgegeben, seine auf Opernbühnen sich dynamisch entfaltende Vokalkunst auch mit Tonträgern dokumentieren zu können. Da gab es zwar vor drei Jahre wunderbare Kontakte zu einer Firma, "und nachdem ich einige Angebote ausgeschlagen hatte, entschied ich mich in diesem Fall für eine Zusammenarbeit. Wir fingen an zu planen, alles lief wunderbar, bis die Firma eines Tages abrupt aufhörte, mich anzurufen. Es war, als hätte man einige hoffnungsvolle Dates mit jemandem gehabt, der plötzlich komplett auf Funkstille umschwenkt."

Mehta, Enkel des berühmten Dirigenten Zubin Mehta, empfand das durchaus als "Schlag für mein Konzept, nur das aufzunehmen, was mir entspricht. Ich dachte, ich hätte mich total verkalkuliert - CD-Karriere adieu! Viele meiner Kollegen sind ja der Auffassung, dass man jedes Angebot annehmen sollte. Ich hingegen meine, dass - eben weil es in der Branche ökonomisch so schwer ist - nur das Beste erscheinen sollte."

Bei "kleiner" Firma

Nun ist das aber eine alte Geschichte. Die aktuelle trägt den Titel Ombra Cara und bezeichnet eine CD, auf der Mehta Händel-Arien mit der ihn auszeichnenden Virtuosität und Intensität singt. Und: Sie ist nicht im Eigenverlag erschienen, vielmehr bei dem Renommierlabel Harmonia Mundi, das zwar als kleine Firma gilt, allerdings - im Gegensatz zu den großen - sogar ganze Opern im Studio aufnehmen lässt. Eine kostbare Seltenheit heutzutage.

Wie gut Mehtas Verhältnis zu dieser Firma ist, lässt sich an seinem Vertrag ablesen. Es gibt nämlich keinen. "Bei uns funktioniert alles per Handschlag; ich wurde dazu von Dirigent René Jacobs ermutigt. Er ist seit 30 Jahren bei Harmonia Mundi, und er arbeitet auch ohne Vertrag. Ich dachte: Wenn er das so macht, dann muss ich doch keine Bedenken haben." Mehta ist allerdings alles andere als ein Branchenneuling gewesen, der beim Bewältigen der geschäftlichen Seite seines Berufes Nachhilfestunden bedurfte. Er war keine 14 und gefeierter Knabensopran, als Leonard Bernstein die "musikalische Reife dieses Jungen" unglaublich fand. Fünf Jahre dauerte diese juvenile Karriere, Mehta darf man sich damals als glücklichen Knaben aus Laurinburg / North Carolina (Jahrgang 1968) vorstellen. Mit Eintritt in die Pubertät und dem folgenden Verlust von Stimme und Karriere wurde aus ihm jedoch ein Unglücklicher auf dem Weg zum Erwachsenwerden.

Der ignorierte Verlust

"Das Ganze war so schmerzhaft, dass ich mich damit gar nicht beschäftigen konnte. Eigentlich habe ich den Verlust ignoriert. Es war zu viel, es war wie ein Tod. Ich wechselte zum Cello, habe in Yale studiert und aufgehört zu singen." Später arbeitete Mehta auch als Tonmeister (ein Grammy), und als er wieder zu singen begann, versuchte er als Bariton zu reüssieren. Das gelang nur mäßig. 1997 aber, nachdem er eine Geschichte über den Countertenor-Kollegen Dave Danies gelesen hatte, entdeckte er endgültig seine Fähigkeiten in den artifiziellen und doch so unmittelbaren Vokalregionen.

Das war 1997: "Ich hätte viel früher anfangen sollte, wieder zu singen, aber der Schmerz war zu präsent. Heute ist alles gut." Klar, als einer der gefeierten Sänger seines Faches ist Mehta der Inbegriff des modernen Sängerdarstellers, der seine Partien global musiktheatrales Leben verleiht.

Ab Sonntag wird man es erleben können. Da trifft Mehta im Theater an der Wien (ab 19.00) erstmals Dirigent Nikolaus Harnoncourt. Bei Händels Oper Rodelinda hört man ihn in der Rolle des Bertarido, Rodelindas tot geglaubten edlen Gatten. Auf der Ombra-Cara-CD steht Mehtas Kunst dynamisch auch im Dienste dieses Werkes, er scheint auch die Studiosituation zu beherrschen: "Bei Aufnahmen die Spannung zu halten, und dies oft sechs Stunden lang, das war tatsächlich die Herausforderung. Mir wurde jedoch geholfen. Wenn etwas gut war, ich aber das Gefühl hatte, ich sei jetzt erst richtig für das Besondere eingesungen, waren alle Kollegen großzügig." Sie gewährten Mehta und sich selbst eine Fleißaufgabe, um dem gewissen Etwas zum Durchbruch zu verhelfen. Auch wenn es in keinem schriftlichen Vertrag festgelegt war. (Ljubiša Tošić, DER STANDARD - Printausgabe, 19./20. März 2011)