
Christoph Gross: "Spaß am Sport ist mehr wert als Geld."
Standard: Denken Sie manchmal daran, dass Sie die Möglichkeit haben, das Football-Nationalteam im Juli beim WM-Finale im Happel-Stadion vor zehntausenden Fans aufs Feld zu führen?
Gross: Die Vision geht mir nur durch den Kopf, wenn ich sie wirklich brauche. Wenn ich trainiere, noch zwei Runden zu laufen habe und ich nicht mehr will, dann nehme ich das als Motivationsfaktor. Sonst denke ich nicht daran.
Standard: Die Saison hat am Wochenende mit der Auftaktrunde der Austrian Football League gerade erst begonnen. Wie weit ist die WM gedanklich noch weg?
Gross: Der Nationalteamkader ist vor einer Woche erstmals zusammengekommen. Wir wollten uns noch vor dem Liga-Start sehen und ein gutes Gefühl entwickeln. Es sind ein paar neue Spieler dabei. Die ersten Einheiten waren für die Trainer eine Möglichkeit zu sehen, wie sich die Spieler entwickelt haben, ob sie ins Team passen. Ich bin mir sicher, dass wir die bestmögliche Mannschaft für die WM formen werden.
Standard: Sie sind mit den Raiffeisen Vikings in der Liga engagiert, spielen in der European League und fürs Team. Wie viel Zeit investieren Sie in Ihren Sport?
Gross: Ich mache jeden Tag ein bisschen was. Wobei ein bisschen um fünf Uhr am Nachmittag anfängt und um halb zehn Uhr am Abend aufhört. Das beinhaltet Teamtraining, Kraftkammer, Quarterback-Training und vielleicht noch ein paar Physio- und Stretch-Einheiten. Am Wochenende kommen die Spiele dazu.
Standard: Wie geht sich das aus?
Gross: Ich studiere Sportgerätetechnik am FH Technikum Wien und mache gerade ein Berufspraktikum bei einem Sportorthopäden. Ich finde schon die Zeit, genug zu trainieren. Sonst geht sich aber nicht viel aus.
Standard: Haben es andere Teamkollegen schwieriger?
Gross: Auf jeden Fall. Roman Meklau zum Beispiel ist Türsteher. Er muss am Tag vor dem Spiel arbeiten, kommt um fünf Uhr früh heim. Wenn wir mit den Vikings ein Auswärtsspiel haben, fahren wir um sechs Uhr weg. Roman schläft im Bus, das ist seine einzige Regenerationszeit vor dem Match. Es ist unglaublich, was manche für das Teamgefühl und den Zusammenhalt investieren.
Standard: Sie nehmen in Ihrem Klub wie im Nationalteam die Schlüsselrolle des Quarterbacks ein. Ihre Schultern sind zwar breit. Aber wie gehen Sie damit um?
Gross: Wenn ich daran denke, dann könnte ich eigentlich aufhören, weil mir der Druck zu viel ist. Aber ich weiß, dass ich von den Mitspielern Rückhalt habe. Im Endeffekt ist der Spaß am Spielfeld das, worum es geht.
Standard: Was wäre für Sie die nächste Stufe Ihrer Karriere?
Gross: Mir gefällt die Ebene, auf der ich spiele, ganz gut. Ich will verletzungsfrei durch die Saison kommen, will bei der WM spielen. In dieses Jahr investiere ich alles, für mich wird es das sportliche Highlight meines Lebens.
Standard: In Österreich ist Football ein Amateursport. Finden Sie es in Ordnung, nichts für Ihren Einsatz bezahlt zu bekommen?
Gross: Sobald ein paar Spieler Geld bekommen, wird sich das negativ entwickeln. Ich hoffe, es passiert nicht - außer, es werden alle Spieler bezahlt. Dann können die Leute das professionell betreiben. Aber es schaut nicht danach aus, dass sich das bis zu meinem Karriereende ändern wird.
Standard: Blickt man da neidisch auf die Fußballer, die selbst in den unteren Spielklassen ein paar Hundert Euro verdienen können?
Gross: Dieser Vergleich ist ein großes Thema. Freunde von mir, die nicht Football spielen, schneiden das immer an. Aber für mich ist der Spaß am Sport mehr wert als Geld. Ich habe das Glück, dass meine Familie mich unterstützt. Meine Eltern zahlen mir bis zum Ende meines Studiums die Wohnung und geben mir so viel Geld, dass ich mich ernähren kann.
Standard: Was kostet Sie Football?
Gross: Ich wollte eigentlich bis zum Ende meiner Karriere mit meinem Schulterschutz weiterspielen. Aber ich habe mir vor kurzem einen neuen kaufen müssen, das war ein großes Investment von 300 Euro. Der Jahresmitgliedsbeitrag bei den Vikings beträgt 210 Euro. Dafür bekommt man einiges geboten, das Trainingszentrum samt Kraftkammer können wir auch in der Freizeit verwenden.
Standard: Wie geht's mit dem Nationalteam weiter?
Gross: In jedem Camp, das wir noch absolvieren, wird mehr und mehr Technik gelernt. Jede Position muss wissen, welchen Job sie bei welchem Spielzug macht. Das muss sofort abrufbereit sein, ohne viel zu überlegen. Kurz vor der WM haben wir noch ein intensives Trainingslager. Danach sollte ich den Ball blind genau zum Receiver werfen können und sollte nicht mehr auf meine Augen angewiesen sein.( David Krutzler, DER STANDARD Printausgabe, 21.3.2011)