Walter Feichtinger (54), Brigadier, ist Leiter des Instituts für Friedenssicherung und Konfliktmanagement in Wien.

Foto: Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport, Bundesheer

Die Militäroperation in Libyen wird einen Beitrag dazu leisten, dass die Bevölkerung die Oberhand gewinnt und Muammar al-Gaddafi entmachtet wird, analysiert Walter Feichtinger im Gespräch mit Gianluca Wallisch.

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STANDARD: Wie ist die Militäroperation strategisch angelegt?

Feichtinger: Phase eins ist das Erlangen der Luftherrschaft durch den Einsatz von Marschflugkörpern. Die Ziele sind am Anfang vorrangig die Flugabwehr und die Kommandozentralen, diese können stationär oder mobil sein. Nach Auswertungen mit Drohnen folgen nötigenfalls weitere Angriffe. In Phase zwei werden dann Flugplätze und Flugzeuge angegriffen. In der dritten Phase verlagern sich die Angriffe auf operative Ziele, also zum Beispiel auf jene Bodentruppen, die die Zivilisten angreifen.

STANDARD: Verläuft die Operation nach Plan?

Feichtinger: Wir haben in Libyen eine Zweiteilung: Im Osten des Landes geht man bereits zum Teil gegen operative Ziele auf dem Boden vor. Im Westen, in Tripolis, werden hingegen noch sehr zahlreiche Fliegerabwehrsysteme bekämpft. Dort befinden wir uns eindeutig noch in Phase eins.

STANDARD: Wird die Koalition Bodentruppen einsetzen müssen?

Feichtinger: Davon gehe ich nicht aus, das wurde im Sicherheitsrat auch eindeutig so beschlossen. Ihr Einsatz wäre ein politisches Desaster. Natürlich sind einzelne Kräfte dort, um Ziele aufzuklären und die Zieleinrichtungen für die Marschflugkörper zu bedienen. Solche Special Forces sind aber nicht das, was man unter Bodentruppen versteht.

STANDARD: Ist Gaddafi selbst ein Ziel, und wenn ja: Wo steckt er?

Feichtinger: Im Irak wollte man mit einem "Enthauptungsschlag" Saddam Hussein ausschalten, um den Krieg überflüssig zu machen. Das hat bekanntlich nicht funktioniert. Muammar al-Gaddafi befindet sich ganz sicher in einem extrem geschützten Bereich. Wo das sein könnte, bleibt Spekulation.

STANDARD: Wird die Militäroperation zum Erfolg führen?

Feichtinger: Ich glaube schon. Lange wird sich Gaddafi nicht halten können. Weniger wegen der direkten Folge der Operationen, sondern wegen der Bevölkerung: Gaddafi ist der verhassteste Mann in Libyen. Bald werden auch die letzten Söldner von ihm abfallen, sie sind in der Regel nicht bereit, für ihren Auftraggeber zu sterben. Der Kreis um ihn wird immer mehr ausgedünnt. Letztlich ist auch ein Tyrannenmord nicht auszuschließen, aber natürlich auch nicht kalkulierbar. Dieser Faktor bleibt eine Wildcard. Die Luftoperationen werden also Gaddafi nicht direkt entmachten, stellen aber die Rahmenbedingungen dafür her.