Strasser legte seine Aufsichtsratsmandate bei der G4S Security und der Westbahn zurück.

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Wien - Nachdem Ernst Strasser durch einen Artikel in der Sunday Times des Lobbyings überführt wurde und der ehemalige Innenminister und EU-Parlamentarier zurückgetreten ist (derStandard.at berichtete), stellt sich auch die Frage, mit welchem Strafausmaß Strasser zu rechnen hat. Die Korruptionsstaatsanwaltschaft in Österreich hat genauso Ermittlungen eingeleitet, wie das EU-Parlament und die EU-Anti-Korruptionsbehörde OLAF.

Seitens der österreichischen Behörde heißt es, dass zuerst geklärt werden müsse, ob Strasser nach wie vor der Immunität unterliegt. Obwohl in den Medien bereits berichtet worden ist, dass er zurückgetreten sei, müsse das noch seitens des EU-Parlaments bestätigt werden. Die Frage sei, ob die Immunität ansonsten erst aufgehoben werden müsse, damit Ermittlungen geführt werden können. Die Korruptionsstaatsanwaltschaft führt derzeit also ein "Vorprüfungsverfahren" durch. Aus diesem Grund könne man auch noch nicht sagen, mit welchem Strafausmaß Strasser zu rechnen habe, erklärt Martin Ulrich, der Sprecher der Korruptionsstaatsanwaltschaft im Gespräch mit derStandard.at. Ob allenfalls das Delikt der Bestechlichkeit vorliegt, könne zu diesem Zeitpunkt noch nicht überprüft werden und sei derzeit eine reine "Hypothese", so der Sprecher vorsichtig.

Sollte tatsächlich ein Ermittlungsverfahren wegen Bestechlichkeit eingeleitet werden, erscheint es aus heutiger Sicht äußerst unwahrscheinlich, dass beim zu untersuchenden Vorgang - den von den Enthüllungsjournalisten inszenierten Gesprächen mit Strasser - Verjährung vorliegt. Nach § 57 Absatz 3 StGB beträgt die Verjährungsfrist fünf Jahre, wenn die Handlung mit mehr als einjähriger, aber höchstens fünfjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist. Bei einer Strafdrohung von fünf bis zehn Jahren erhöht sich die Frist auf zehn Jahre.

EU-Parlament sichtet Videomaterial

Eine Sprecherin des EU-Parlaments erklärte am Montag, das die Abgeordneten belastende Videomaterial der "Sunday Times" werde in Brüssel eintreffen. "Wir werden alle notwendigen Maßnahmen ergreifen." Die Vizepräsidentin des EU-Parlaments Diana Wallis bestätigte in einer Erklärung, dass das Europaparlament "eine Untersuchung zu den Vorwürfen gestartet hat, um die Fakten gänzlich herauszufinden". Abhängig von den Ergebnissen der Untersuchung werde das Parlament "schnell handeln". "Das Europaparlament kann Fehlverhalten, wie dies von der Zeitung dargestellt wird, nicht akzeptieren."

Deutlich auf Distanz zu Strasser ging auch der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei (EVP) im Europaparlament, Joseph Daul. "Unsere Bürger müssen ihren EU-Abgeordneten vertrauen können. Bei uns gibt es keinen Platz für unmoralisches oder unethisches Verhalten", betonte Daul am Montag. Hier müsse es "Nulltoleranz" geben. "Ich nehme den Rücktritt von Ernst Strasser zur Kenntnis. Er ist von allen seinen politischen Ämtern zurückgetreten. Wenn die Vorwürfe sich bestätigen, erwarte ich, dass die beiden sozialdemokratischen Abgeordneten umgehend dasselbe tun", sagte Daul. 

OLAF-Vorprüfung dauert an

Die Vorprüfung der EU-Betrugsbekämpfer in der Lobbyisten-Affäre rund um Strasser und die zwei weiteren EU-Parlamentarier dauert an. Wie OLAF-Sprecher Pavel Borkovec am Montag sagte, werde die EU-Betrugsbekämpfungsbehörde (OLAF) voraussichtlich "eher binnen Wochen oder Monaten als in Tagen", darüber entscheiden, ob in der Causa formal Ermittlungen eingeleitet werden. Für Ermittlungen in einer Verwaltungsangelegenheit braucht OLAF dem Vernehmen nach nicht die Immunität von EU-Abgeordneten aufheben lassen. Die EU-Betrugsbekämpfer können den Fall nur prüfen und müssten ihn dann an die zuständigen nationalen Gerichte weitergeben.

Der Rechtsausschuss des EU-Parlaments soll planmäßig am morgigen Dienstag über das umstrittene Gesetz zum Anlegerschutz abstimmen, zu dem EU-Abgeordnete auf Wunsch von als Lobbyisten getarnten Reportern der "Sunday Times" Änderungsanträge einbringen lassen wollten. Wie die sozialdemokratische EU-Abgeordnete Evelyn Regner am Montag sagte, könnte die Abstimmung aber verschoben werden, da einer der Abgeordneten, der slowenische Ex-Außenminister Zoran Thaler, mittlerweile zurückgetreten sei.

Aufsichtratsmandate zurückgelegt

Strasser hat unterdessen seine Aufsichtsratsmandate bei der G4S Security (ehemals Wiener Wach- und Schließgesellschaft) und bei der Westbahn zurückgelegt. G4S-Geschäftsführer Harald Neumann erklärte am Montagvormittag: "Wir haben Sonntagabend miteinander telefoniert und Herr Strasser hat mir mitgeteilt, dass er seine Funktion zurücklegen wird." Der Ex-Innenminister unter dem damaligen Kanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) und bis gestern noch Delegationsleiter der VP-Fraktion in Brüssel wolle damit Schaden vom Unternehmen abwenden.

Strasser sitzt auch noch im Aufsichtsrat des künftigen ÖBB-Konkurrenten Westbahn des Industriellen Hans Peter Haselsteiner. Auch dort hat er sein Aufichtsratsmandat zurückgelegt. Von der Westbahn des Industriellen Hans Peter Haselsteiner (Strabag) hieß es: "Die Gesellschaft legt Wert auf die Feststellung, dass neben der Aufsichtsratsvergütung von 10.000 Euro pro Jahr keine weiteren Zahlungen an Herrn Dr. Strasser getätigt wurden. Es wurden keine Lobbying-Tätigkeiten von Herrn Dr. Ernst Strasser erbeten, in Auftrag gegeben oder bezahlt."

Strasser ist seit Mai 1998 auch Präsident des NÖ Hilfswerks. Ob er diese Funktion behalten wir, stand vorerst nicht fest. "Wir haben dazu noch keine Stellungnahme", hieß es am Montag auf Anfrage der APA bei der größten Sozialorganisation Niederösterreichs. "Wir werden auf jeden Fall informieren, wenn es etwas Neues gibt." (APA/rwh, derStandard.at, 21.3.2011)