Wien - Die Bilder von in kürzester Zeit leergekauften Supermärkten in Japan haben einige heimische Politiker wachgerüttelt. Man habe eine strategische staatliche Bevorratung mit Lebensmitteln für die Bevölkerung aus den Augen verloren, heißt es. Das gelte es zu ändern, meint der Nationalratsabgeordnete Hermann Schultes (V). "Was es bei Öl und Erdgas gibt, sollte es auch bei Lebensmitteln geben", plädiert er für mehr Lagerhaltung.

Zuständig in der Sache ist das Lebensministerium. Dieses hat über das Lebensmittelbewirtschaftungsgesetz im Notfall Zugriff auf Rohstofflager; ausführende Organisation ist die Ama, die Agrarmarkt Austria. Allerdings sind die staatlichen Lebensmittel-Lager äußerst mager bestückt. Laut Ama-Experten Alois Luger umfassen sie gerade mal 15.000 Tonnen Getreide. Und zwar Gerste, das als Tierfutter dient.

Größer sind die privaten Getreide-Bestände bei Händlern, Mühlen und Mischfutterwerken. Da betrugen die Bestände Ende Jänner 1,3 Millionen Tonnen. Zur Einordnung: Der Inlandsbedarf liegt bei etwa 2,6 Millionen Tonnen im Jahr. Davon fließen 700.0000 Tonnen in die Ernährung; 600.000 Tonnen werden an Tiere verfüttert. Der Rest geht an die Nahrungsmittelindustrie. Es ist also Getreide für ein halbes Jahr vorrätig - eigentlich genügend, nur hat der Staat keinen Zugriff.

Das Lebensmittelbewirtschaftungsgesetz wird als nicht adäquat für Notsituationen angesehen. Als weitreichendste Maßnahme ist darin festgehalten, dass das Landwirtschaftsministerium verfügen darf, dass Getreide nicht an Tiere verfüttert wird.

Hintergrund dieser Politik ist, dass in der EU seit der Zeit der Butterberge und Milchseen kostspielige Lagerhaltung verpönt ist. Bevorratung wird nicht zum Bevölkerungs-Schutz vorgenommen sondern um EU-Bauern vor Preisschwankungen zu schützen. Als heuer 143.000 Tonnen Schweinehälften EU-weit auf Lager gelegt wurden, war dies, um dem Preisverfall wegen des deutschen Dioxinskandals gegenzusteuern. (Johanna Ruzicka, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22.3.2011)