Strasser, Grasser, Meischberger, Reichhold ... Die Liste der (Ex-)Politiker, bei denen die Unschuldsvermutung dem Namen hinzuzufügen ist, wird immer länger. Was in den vergangenen Monaten publik wurde, zeigt vor allem eines: Im Dunstkreis der Politik lässt sich in Österreich gut Geld verdienen. Es läuft wie geschmiert für Lobbyisten, Berater, Werber, Konsulenten, Parteibuchgünstlinge und einzelne Politiker. Wer weiß, wie es geht, und dazugehört, kann sehr viel Geld verdienen: Geld des Steuerzahlers oder von Firmen, die einen Obolus für politische Gefälligkeiten entrichten müssen.

Was den Fall Strasser so besonders macht, ist die Dreistigkeit, mit der jemand ein politisches Mandat anstrebt, um das besser tun zu können, was er bisher schon tat: lobbyieren. Dass er die Infrastruktur eines Parlamentes für seine geschäftlichen Tätigkeiten genutzt hat, ist ein Missbrauch und sollte Grund genug sein, Aufwendungen von ihm zurückzuverlangen.

Dass er sich wirklich für Europapolitik interessiert, hat Ernst Strasser schon im Wahlkampf nicht vermitteln können. Aus seinen Tätigkeiten hat Strasser aber kein Geheimnis gemacht, als er sich von der Partei hat aufstellen lassen. VP-Chef Josef Pröll trägt eine Mitschuld, auch wenn er ihn jetzt unter dem Eindruck der auf Youtube für alle abrufbaren Videos zum Rücktritt gezwungen hat.

Das Jahr 2000 war eine Zäsur. Exzessive individuelle Gier konnte sich mit Möglichkeiten, die die Politik einräumte, paaren. Ohne Privatisierungen im großen Stil unter Schwarz-Blau und später Schwarz-Orange hätten nicht so viele so viel verdienen können. Es ist erstaunlich, was man für nicht näher definierte Beratungen, für die Organisation von Pressekonferenzen, das Schreiben von PR-Texten oder die Gestaltung von Homepages verrechnen kann, welche Beträge sich unter dem Begriff Lobbying subsumieren lassen. Da stellt sich wirklich die Frage: Was war die Leistung? Ein Land offenbart sich als Selbstbedienungsladen.

Viele werden einwenden: Das hat es immer schon gegeben. Etwa in der Bauwirtschaft, siehe AKH-Skandal. Die Bakschisch-Mentalität der Österreicher ist bekannt: Ein bisserl was geht immer. Wenn was nicht so gut läuft, dann helfen halt Beziehungen.

Aber jetzt steckt System dahinter: Das Magazin Profil hat die bisher aufgearbeiteten Geschäfte addiert und ist auf eine Summe von zumindest 60 Millionen gekommen. Noch ist nicht ganz klar, wer wie viel kassiert hat. Aber es zeigt sich eine neue Dreistigkeit des wechselseitigen Gebens und Nehmens zwischen Politik und Wirtschaft. Und es brauchte Banken wie die Hypo Alpe Adria, die dubiose Geschäfte ermöglichten, und Unternehmen, die immer wieder zahlten.

Es ist auffällig, dass immer wieder die gleichen Namen vorkommen. Es existiert ein Netzwerk: Die persönlichen, finanziellen, politischen Beziehungen sind derart eng verflochten, wie es in einem kleinen Land nur sein kann. Dass verhältnismäßig wenige Skandale von der Justiz aufgearbeitet wurden, hat dieses System begünstigt.

Die Reaktionen jener, für die die Unschuldsvermutung gilt, sind aufschlussreich: Sie bezeichnen Aufdeckungen als "Menschenhatz" und glauben "selbstverständlich", sie wären zur Polizei gegangen, wenn nicht ein Termin dazwischengekommen wäre. Das zeigt: Es hat sich nicht nur das Gefühl für Anstand, sondern auch für das Recht verschoben. (Alexandra Föderl-Schmid, DER STANDARD, Printausgabe, 22.3.2010)