Foto: Simon Inou

Vor drei Wochen stieß der Journalist und Medienkritiker Simon Inou auf der Getränkekarte eines Kaffeehauses in der Wiener Innenstadt unvermittelt auf einen afrikanischen Politiker und Unabhängigkeitskämpfer. Neben Getränkeklassikern wie der "Heißen Schokolade mit Schlagobers" wurde dort auch ein "Lumumba" angepriesen, heiße Schokolade mit Rum: ein alkoholhältiges, tiefbraunes Getränk mit weißem Schlagobersgupf.

Inou zückte sein Handy, machte ein Foto* und stellte es auf Facebook. Es entstand eine rege, stellenweise ins Emotionale driftende Diskussion. Viele meinten, der "Lumumba" stehe in einer Reihe mit dem "Mohr im Hemd" oder auch dem "Zigeunerschnitzel" und sei ein weiteres Beispiel rassistischer Benennung von Speisen und Getränken. Andere widersprachen und bezeichneten die Namensgebung als unvoreingenommen. Den Rassismus-Kritikern warfen sie vor, aus einer Mücke einen Elefanten zu machen. Es sei übertrieben, es als abwertend zu empfinden, dass eine antikolonialistische Identifikationsfigur sozusagen zum Verzehr bestimmt ist.

"Lumumba" heiß oder kalt

Auf alle Fälle aber ist untersuchungswert, wie Patrice Émery Lumumba (1925 - 1961) - erster (sozialistischer) Präsident der zentralafrikanischen Demokratischen Republik Kongo nach deren Unabhängigkeit von der Kolonialmacht Belgien, der 1960 mit US-Unterstützung weggeputscht und kurz darauf von seinen Widersachern ermordet wurde - zum Namensgeber eines Schokoladedrinks werden konnte. Denn dieser Name ist nicht erst dem WienerCity-Kaffeesieder eingefallen, sondern er hat Geschichte: Rezepte für einen "Lumumba heiß" oder einen "Lumumba kalt" (aus Brandy, kaltem Kakao und Obers) kursieren seit den frühen 1960er-Jahren. 

Damals galt der schwarze Politiker Lumumba unter Belgiens Kolonialisten - und über dieses Land hinaus - als Hasssymbol für AfrikanerInnen, die nach Unabhängigkeit strebten. Laut Kennern der Materie war es demnach wohl Rassismus, der dazu führte, dass die Mischung aus Kakao und Brandy/Rum, die es schon lang davor gegeben hatte, in "Lumumba" umgetauft wurde - und auch spöttische farblich-assoziative Gründe könnten eine Rolle gespielt haben. Später tauchte der Drink unter seinem neuen Namen dann in der Linken auf, sozusagen mit solidarischem Beiklang. Dieser ist inzwischen vergessen, der mittransportierte Rassismus hingegen blieb: eine wechselvolle Geschichte.

"Lumumba" und der Fasching

Lumumba, der kongolesische Politiker, hat namenstechnisch in Österreich indes auch lokale Spuren hinterlassen. Bei der Faschingsgilde im steirischen Gröbming nämlich, die sich seit 1967 als „Faschingsgilde Lumumba" alljährlich dem saisonbedingten Witz hingibt - mit Faschingsumzugwagen unter dem Motto "Blauer sucht Frau" und Ähnlichem.
Wie die Gröbminger Narren zu ihrem Namen kamen, schildert die "Chronik" auf der "Lumumba"-Gilden-Homepage: "Nachdem F. G. vom Urlaub eine Sparbüchse in Form eines 'Südländers' mitgebracht hatte, musste jeder Kiebitz oder vorlaute Spieler Strafe zahlen, wenn er sich nicht ordnungsgemäß benahm. So sammelten sich im Laufe der Jahres Schilling um Schilling in der Sparbüchse, die bereits den Namen ‚Lumumba‘ bekommen hatte." Besagte Büchse ist auf einem Foto darunter zu sehen: Sie besteht aus Torso und Kopf eines zigarrenrauchenden Schwarzen mit dicken rosa Lippen: eine rassistische Karikatur. (Irene Brickner, derStandard.at, 27.3.2011)

*Danke fürs Zurverfügungstellen des Bildes.