Frage: Welche Gefahr geht noch von Fukushima aus?

Antwort: In den Blöcken 1 und 3 könnte es nach wie vor zu einer Kernschmelze kommen, sollte die Kühlung mit Meerwasser nicht mehr funktionieren. Zudem befürchten Experten, dass sich durch die großen Mengen Meerwasser Salz auf den Brennstäben abgelagert hat, das die Kühlung weiter erschwert. In Block 3 und 4 könnten Brennelemente in lecken Lagerbecken trockenfallen und radioaktives Material abgeben. In Block 5 gab es am Donnerstag erneut Probleme mit dem Kühlsystem. Block 2 und 6 sind derzeit stabil. Japans Regierung dämpfte jedoch Donnerstagabend die Hoffnungen auf Entspannung: Die Gesamtsituation sei "nach wie vor dramatisch", sagte Regierungssprecher Edano.

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Frage: Wie gefährdet sind die Arbeiter in dem Kraftwerk?

Antwort: Die Gefahr von Strahlung hängt von der Dosisleistung und der Zeit ab, in der sie vom menschlichen Gewebe aufgenommen wird. Wer sich auf dem Kraftwerksgelände aufhält, nimmt laut Branchenverband der Atomindustrie etwa zwei Millisievert pro Stunde auf. Innerhalb der Gebäude liegt die Belastung teilweise deutlich darüber: Im Turbinenhaus von Reaktor 2 wurden vor einigen Tagen 500 Millisievert pro Stunde gemessen. Menschen arbeiten dort aber nicht. Angestellte der Atomindustrie dürfen in Krisen bis zu 100 Millisievert abbekommen. In Fukushima wurde der Wert auf 250 Millisievert erhöht, sodass Einsatzkräfte bei der derzeitigen Belastung und einer 40-Stunden-Woche drei Wochen arbeiten dürfen. Wer innerhalb weniger Stunden oder Tage 250 Millisievert abbekommt, zeigt Symptome wie gerötete Haut und ein verändertes Blutbild, ab einem Sievert setzt der Strahlenkater ein. Je kürzer die Zeit, in der die Strahlung aufgenommen wird, desto stärker die Symptome. Langfristig steigt durch erhöhte Strahlenbelastung das Krebsrisiko.

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Frage: Wie viele Menschen sind durch Strahlen zu Schaden gekommen, wie viele durch Erdbeben und Tsunami?

Antwort: Am Donnerstag bekamen drei Arbeiter in Fukushima Dosen bis zu 180 Millisievert ab, zwei wurden wegen Verbrennungen durch radioaktives Material ins Spital gebracht . Insgesamt haben laut Tepco bisher 17 Arbeiter Dosen über 100 Millisievert abbekommen. Ein Arbeiter ist bisher an den Folgen von Verletzungen, die er bei dem Beben erlitten hatte, gestorben, etwa 20 wurden verletzt, zwei sind seit dem Beben verschollen. Abseits des AKWs starben durch Beben und Tsunami fast 10.000 Menschen, 16.000 werden vermisst. 350.000 Menschen wurden obdachlos.

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Frage: Wie verstrahlt sind Japans Lebensmittel?

Antwort: Bisher wurden erhöhte Werte von radioaktivem Iod und Cäsium gefunden. Die Werte im Tokioter Trinkwasser fielen am Donnerstag wieder unter die erlaubte Grenze. Auf Gemüse aus Präfekturen um Fukushima wurden teilweise drastisch erhöhte Werte gemessen, die Behörden raten davon ab, es zu essen. Bisherige Belastungen kommen von Material, das auf das Gemüse gefallen ist und daher abwaschbar ist. Iod 131 hat eine Halbwertszeit von acht Tagen und ist deshalb für die Nahrungskette langfristig unproblematisch. Ein größeres Problem ist Cäsium 137 mit einer Halbwertszeit von 30 Jahren, das in den Boden eindringt. Je nach Bodentyp wird es aber gebunden. In Österreich etwa wurde nach Tschernobyl das meiste Cäsium im Boden gebunden. Auch das Meer vor Fukushima ist belastet, die Auswirkungen auf Fische sind noch unklar.

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Frage: Warum ist einmal von Sievert, dann wieder von Becquerel die Rede?

Antwort: Die Menge an Strahlenenergie, die ein Mensch aufnimmt, wird in Sievert angegeben. Belastungen in Lebensmittel in Becquerel pro Kilo. Aus Becquerel-Werten lassen sich Sievert errechnen, indem man durchschnittliche Konsummengen annimmt. Die Rechnung ist kompliziert: Berücksichtigt werden muss die Halbwertszeit des Materials, die Zeit, die es nach Konsum im Körper bleibt, und welche Art von Strahlen es abgibt. Alpha-Strahler wie Plutonium etwa sind nur im Körper gefährlich.

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Frage: Müssen sich Asien-Reisende außerhalb Japans Sorgen machen?

Antwort: Nein. Von Fukushima bis zur Küste Südkoreas oder Russlands, der beiden nächsten Länder, sind es mindestens 1000 Kilometer. Selbst wenn es zu einem Super-GAU kommt, reicht diese Entfernung, damit sich das austretende Material auf eine unbedenkliche Menge verdünnt.

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Frage: Wie reagieren andere Länder?

Antwort: Uno-Chef Ban Ki-moon forderte eine weltweite Überprüfung der Sicherheitsstandards. Die Schweiz lässt ein Ausstiegsszenario aus der Kernkraft durchrechnen, die Bewilligung neuer Kraftwerke wurde verschoben. Italien stoppte den geplanten Wiedereinstieg für ein Jahr, Deutschland schaltete die sieben ältesten Reaktoren vorläufig ab und will einen Ausbauplan für erneuerbare Energien vorlegen. (tob, DER STANDARD, Printausgabe, 25.3.2011)