Im Folgenden einige Auszüge und Schlussfolgerungen des 24-seitigen Abschlussberichts von Oberstaatsanwalt Thomas Mühlbacher im Fall Kampusch:

Im Hinblick auf eine mögliche Mittäterschaft kommt Mühlbacher zu folgendem Schluss:

"Nach Ausschöpfung aller zur Verfügung stehenden Beweisquellen lassen die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens einzeln und in ihrer Gesamtheit betrachtet den begründeten Schluss, dass an der Entführung der Natascha Kampusch neben Wolfgang Priklopil noch weitere Personen mitgewirkt hätten, nicht zu."

Zum Verdacht auf ein Mitwissertum des Priklopil-Freundes E. H. steht vermerkt:

"Da der Verdacht bestand, E. H. werde nach Erhalt seiner Ladung als Beschuldigter versuchen, mit Zeugen oder möglichen Mittätern oder Hintermännern Kontakt aufzunehmen, wurde er über Anordnung der Oberstaatsanwaltschaft Wien vom 24.10.2009 bis zum 30.11.2009 unter Einsatz technischer Mittel observiert. Diese Ermittlungsmaßnahme zeigte, dass der Beschuldigte so gut wie keine über geschäftliche Notwendigkeiten hinausgehenden sozialen Kontakte unterhält. Während der gesamten Dauer der Observation ergaben sich keinerlei Hinweise auf Personen im Umfeld des Beschuldigten, die in irgendeiner Weise mit der Entführung der Natascha Kampusch in Zusammenhang stehen könnten..."

Detailwissen zu den Vorgängen am Fluchttag

Zu den ursprünglichen Angaben des E. H. über den gemeinsam mit Wolfgang Priklopil verbrachten Nachmittag des Fluchttages und das dadurch nicht plausibel erklärbare Detailwissen des Beschuldigten bei seinen ersten Befragungen:

E. H. gab bei seinen ersten Einvernahmen und auch gegenüber Medien an, dass ihm Priklopil erklärt hätte, von der Polizei gesucht zu werden, weil er angetrunken einer Streife davongefahren sei. Dieser Darstellung konnte laut dem Bericht kein Glauben geschenkt werden. Am 30. November 2009 gestand der Beschuldigte die Unrichtigkeit seiner bisherigen Angaben und schilderte den Sachverhalt laut dem Bericht so: "Wolfgang Priklopil war äußerst erregt und erklärte dem Beschuldigten bereits nach einer Fahrtstrecke von etwa 200 Metern, dass er Natascha Kampusch entführt habe...." Priklopil soll H. außerdem mitgeteilt haben, "dass er beabsichtige, Selbstmord zu begehen (...), und bat ihn um sein Auto, mit dem er gegen eine Betonwand fahren wollte. E. H. überzeugte ihn aber, nachdem sie mehrere geeignet scheinende Orte aufgesucht hatten, davon, dass er nirgends eine ausreichend lange Anfahrtsstrecke finden werde ..."

Priklopil habe E. H. außerdem erklärt, dass ihm bewusstgeworden sei, "dass er nie mehr eine Frau bekommen würde. Deshalb habe er sich in Torschlusspanik zur Entführung des damals zehnjährigen Mädchens veranlasst. Er erklärte zwar nicht, warum er gerade Natascha Kampusch auswählte, und auch nicht, warum er sich nicht eine erwachsene Frau als Opfer aussuchte, der Beschuldigte führt dies darauf zurück, dass Priklopil glaubte, ein Kind noch in seinem Sinn beeinflussen zu können ..."

In dem Abschlussbericht wird auch auf "Dubiose Theorien Dritter" näher eingegangen. Behauptungen von Personen wurden, sofern sie nicht von vornherein als irrelevant erkennbar waren, "angemessen nachgegangen (...), um nicht den Vorwurf einer Untätigkeit der Strafverfolgungsbehörden aufkommen zu lassen". Beispiele davon werden darin angeführt und erläutert.Fall Kampusch: Justiz ging auch Hinweisen auf "Kinderporno-Ring" nach
30 Zeugen in diese Richtung vernommen - Beweise fanden sich keine

"Keinerlei Anhaltspunkte für einen Verdacht gegen andere Personen"

Öffentlich zugänglich ist nunmehr auch der Bericht der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien, mit dem im Februar 2009 gegen Wolfgang Priklopis ehemaligen Freund Ernst H. Anklage wegen Begünstigung erhoben, aber das Verfahren wegen Beteiligung an der Entführung und pornografischer Darstellung Minderjähriger eingestellt wurde.

Demnach gab es in diesem Zusammenhang "keinerlei Anhaltspunkte für einen Verdacht gegen H. oder andere Personen". Wie der OStA-Bericht beweist, wurde in diese Richtung nicht nur gegen Ernst H., sondern drei weitere Verdächtige ermittelt. Erhärten ließen sich die Verdachtsmomente nicht.

Oberstaatsanwalt Thomas Mühlbacher, der 2009 die Ermittlungen übernommen hatte, ordnete die Befragung von nicht weniger als 30 Zeugen an, um der Vermutung nachzugehen, Ernst H. könnte sich in einem "Kinderporno-Ring" bewegt haben. Diese Befragungen lieferten dafür keinen Beleg.

Ernst H. wurde schließlich auch vom letzten verbliebenen Vorwurf der Begünstigung gerichtlich freigesprochen. Das Wiener Straflandesgericht sah es im August 2010 als nicht erwiesen an, dass H. nach Kampuschs geglückter Flucht ihren Entführer durch eine mehrstündige Autofahrt, als bereits nach Priklopil gefahndet wurde, vom Zugriff der Polizei bewahrt hatte.

In einem weiteren publizierten Bericht ist übrigens nachzulesen, dass Oberstaatsanwalt Mühlbacher bei Aufnahme seiner Tätigkeit im Fall Kampusch sich durchaus nicht möglicher Mittäter Priklopils verschlossen hatte. Bei "vernetzter Betrachtung" liege der Verdacht nahe, dass Priklopil "die Entführung im Auftrag oder gemeinsam mit einem oder mehreren weiteren Tätern ausführte, wobei ein plangemäßes Vorgehen aber letztlich scheiterte", hielt Mühlbacher im September 2009 fest. Die weiteren Erhebungen brachten ihn aber ebenso wie die bis dahin tätig gewesenen Staatsanwälte zur Überzeugung, dass Priklopil ein Einzeltäter war. (APA)