STANDARD: Raten Sie bei Kribbeln und Schmerzen in der Hand sofort zur Operation?
Piza: Nein. Spürt er oder sie nur ab und zu und vor allem nachts Beschwerden, rate ich zunächst zu konservativen Maßnahmen. Aber früher oder später kommen die meisten um eine Operation nicht herum.
STANDARD: Was hilft im Frühstadium?
Piza: Studien zeigen, dass Handgelenksschienen die Symptome lindern können. Auch Kortison - als Spritze oder in Form von Tabletten - kann helfen. Das Medikament darf man aber wegen möglicher Nebenwirkungen maximal einige Wochen anwenden. Leider kommen die Beschwerden wieder, wenn man Kortison oder Schiene weglässt. Bei vielen anderen Maßnahmen gibt es weniger gute Studien, aber im Einzelfall können sie helfen.
STANDARD: Was sind das für Alternativen?
Piza: Zum Beispiel eine Ultraschalltherapie, die aber meist erst nach mehreren Wochen wirkt. Manche probieren Yogaübungen oder eine Magnettherapie - hier gibt es Hinweise, dass das allenfalls vorübergehend hilft. Bei anderen konnte nicht gezeigt werden, dass sie helfen, zum Beispiel bei Vitaminpräparaten, Laser oder entzündungshemmenden Medikamenten.
STANDARD: Können die Patienten selbst etwas tun?
Piza: Ja, sie können zum Beispiel Bewegungen oder Haltungen vermeiden, die zu einer Schwellung im Karpaltunnel beitragen könnten: Kein Radfahren, kein Tennis, kein Golfspielen, kein langes Computertippen. Nehmen Frauen in den Wechseljahren Hormone ein, sollten sie diese weglassen. Denn die Medikamente können zu Wassereinlagerungen führen. Eine Schwellung vermeiden kann regelmäßige Bewegung - zum Beispiel Qigong-Kugeln vier- bis sechsmal pro Tag durch die Finger gleiten lassen.
STANDARD: Wann raten Sie zur OP?
Piza: Wenn jemand nach drei Monaten zunehmende Beschwerden hat: die Hand schmerzt und die Finger ständig taub sind. Oder man wird ungeschickt und lässt die Kaffeetasse fallen. Die elektrischen Untersuchungen müssen den Nervenschaden bestätigen.
STANDARD: Was ist besser: offene OP oder endoskopische?
Piza: Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass beide Techniken die Beschwerden vergleichbar gut lindern. Nach dem endoskopischen Eingriff erholten sich die Patienten etwas schneller und hatten weniger Schmerzen. Es kam aber öfter zu Komplikationen, zum Beispiel zu Verletzungen von Nerven, die vom Medianusnerv im Tunnel abzweigen. Die kann ich bei der offenen OP gut sehen, bei der endoskopischen weniger. Außerdem zeigen die Studien, dass die endoskopische OP teurer ist.
STANDARD: Bei der offenen OP war der Schnitt oft lang?
Piza: Heute schneiden wir zwei bis maximal vier Zentimeter, bogenförmig in der Daumenfurche der Hand. Die Narbe sieht man später kaum. Die beiden Zugänge bei der Endoskopie sind jeweils ein bis 1,5 Zentimeter lang - ein kosmetischer Vorteil ist dabei sehr fraglich.
STANDARD: Wie schnell sind die Patienten nach der OP wieder fit?
Piza: Nach drei bis vier Tagen geht die Schwellung zurück, nach zehn Tagen können sie die Hand meist wieder gut bewegen. Richtig belasten dürfen sie aber erst nach zwei bis drei Monaten. Aber bitte nicht übertreiben: Die hundert Kilometer lange Radtour ist erst einmal tabu. (Felicitas Witte, DER STANDARD, Printausgabe, 28.03.2011)