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Wird der Berufsabschluss von Migranten nicht anerkannt, sollen sie sich künftig gezielt weiterbilden können.

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Geschichten und Schicksale wie diese kennen viele Menschen in Deutschland: Eine Türkin hat in der Türkei die Ausbildung zur Krankenschwester gemacht. Sie spricht gut Deutsch, lebt nun in Berlin, wo auch Krankenschwestern gesucht werden. Doch ihr Berufsabschluss wird in Deutschland nicht anerkannt. Also geht sie putzen.

"Es ist ein überfälliges Zeichen, dass wir die Qualifikation anderer respektieren. Es ist nicht gerecht, wenn ein iranischer Arzt in Deutschland Taxi fährt", sagt die deutsche Bildungsministerin Annette Schavan (CDU). Diese Woche hat das deutsche Kabinett einem von ihr vorgelegten Gesetzesentwurf zugestimmt.

Dieser sieht die Einrichtung einer zentralen, bundesweiten Telefon-Hotline vor. An diese können sich Bürgerinnen und Bürger aus Nicht-EU-Staaten mit ihrem Anliegen wenden. Sie erfahren dann, wo genau sie ihre Dokumente und Zeugnisse überprüfen lassen können - etwa bei der örtlichen Industrie- und Handelskammer (IHK). Wird der Nachweis über den in China oder Usbekistan erworbenen Berufsabschluss dort eingereicht, dann muss dieser binnen drei Monaten geprüft werden. Diese Frist ist im Gesetz festgelegt.

Hilfe bei der Weiterbildung

Wird der Berufs- oder Studienabschluss nicht anerkannt, weil die Ausbildung nicht als gleichwertig zur deutschen Ausbildung gesehen wird, dann müssen die fehlenden Qualifikationen dokumentiert werden. So bekommen Zuwanderer die Möglichkeit, sich gezielt weiterzubilden, und können dies dann auch beim potenziellen Arbeitgeber nachweisen.

Von dieser Verbesserung sind vor allem Berufe in Industrie, Handwerk, Handel, Verwaltung und im Pflegebereich betroffen. Schavan schätzt, dass derzeit in Deutschland rund 300.000 Menschen leben, die nicht entsprechend ihrer ursprünglichen Qualifikation arbeiten können, weil ihnen die adäquate Anerkennung ihrer Abschlüsse in der Bundesrepublik fehlt.

250.000 davon haben einen berufsqualifizierenden Abschluss, 23.000 einen Meister- oder Techniker-Abschluss, 16.000 haben in ihrem Heimatland einen Fachhochschul- oder Universitätsabschluss erlangt. Die Nationalität eines Antragsstellers wird künftig keine Rolle mehr spielen.

Wirtschaft sieht Fortschritt

Mit dem neuen Gesetz, für das im einzelnen 60 Berufsgesetze geändert werden, will die deutsche Regierung jedoch nicht nur zu Ausländern großzügig sein. "Wir stehen im weltweiten Wettbewerb um die besten Köpfe, darum müssen wir das Potenzial all derer, die bei uns leben, optimal nutzen", räumt Schavan ein. Soll heißen: Die Regelung soll der Wirtschaft helfen, die seit Jahren über einen Mangel an Fachkräften in Deutschland klagt.

Diese sieht im neuen Gesetz auch einen Fortschritt, ist aber dennoch skeptisch. "Wir werden nicht plötzlich 300.000 hoch qualifizierte Fachkräfte neu entdecken", erklärt die Bildungsexpertin des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Sybille von Obernitz. Ihre Forderung: Die Politik müsse auch noch an anderer Stelle ansetzen, etwa die Qualifikation von älteren Arbeitnehmern besser fördern oder bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie schaffen. (Birgit Baumann aus Berlin/DER STANDARD; Printausgabe, 26./27.3.2011)