Die Wiener Hundekackekugel spaltet das Land: Super-Sujet, finden die einen. Ungustiös, meinen die anderen. Bürgermeister Häupl, hört man, ist aufseiten der Skeptiker: Als volksnaher Politiker weiß er, dass die meisten Bürger nur ungern mit Fotos mannshoher Kotkrapfen konfrontiert werden. Ich als volksnaher Kolumnist weiß ebenfalls um diese Aversionen der Leser und ersetze daher heute das robuste Wort "kacken" wenn möglich durch ein taktvolles "flüstern".

Was immer man von der Kugel hält, eines muss man ihr rundweg lassen: Sie sensibilisiert uns für ein real existierendes Problem. Wir sind nicht in New York, wir sind nicht in Paris, wir sind in Wien, und dem Wiener ist es tendenziell powidl, wenn sein Waldi aufs Trottoir flüstert.

Der Magistrat fordert zwar den Griff zur Flüstertüte. Der ist aber unpopulär. Lieber lässt man die Tretmine einfach liegen. Kottechnisch betrachtet, ließe sich behaupten, dass sich der Wiener nichts flüstert. Nicht zufällig ist der zugeflüsterte Asphalt jener Straßenbelag, den man am häufigsten in der Hauptstadt antrifft.

Weil wir schon beim Thema flüsternde Tiere sind: Ich nutze den Anlass, Mutter Natur hier ein Lob auszusprechen. Sie hat es gut eingerichtet, als sie nur relativ kleine Tiere mit Flügeln versah. Die Problemlage wäre noch weit unangenehmer, wenn man nicht nur gelegentlich von einer Taube oder einem Spatzen von oben her angeflüstert würde, sondern fliegende Dobermänner, Pitbulls und Schäferhunde ihre Kreise über uns zögen.

Freilich ist auch die Auspuffstärke mancher Vögel nicht zu unterschätzen. Vor etlichen Jahren, ich schlürfte gerade in einer netten Runde in einem Strandcafé in St. Malo (Bretagne) einen Pastis, ließ eine Möwe ("mouette") einen bombastischen Haufen auf meine weiße Leinenhose ab, sehr zum - billigen - Amüsement meiner Entourage. Noch lange danach erging man sich in grölenden Spekulationen, ob da nicht zufällig eine Kuh über uns hinweggeflogen sei. Sehr witzig!

In der französischen Facebook-Ausgabe findet man übrigens allen Ernstes eine Gruppe namens "Vengez vous! Chiez sur un pi-geon!" ("Rächen Sie sich! Kacken Sie auf eine Taube!"). Aus Sicht des Menschen, der von Taube, Spatz oder Möwe überraschend besudelt wird, ist dieser Aufruf psychologisch verständlich. Tierschützerisch ist er bedenklich. Und auch rein technisch nicht leicht umzusetzen. (Christoph Winder, DER STANDARD/ALBUM - Printausgabe, 26./27. März 2011)