Die Einladung der Leipziger Buchmesse an Serbien, 2011 das Gastland zu sein, hat die serbische Literaturszene mobilisiert, erzählt Vladan Matijević.

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Der 1962 geborene Autor Vladan Matijević lebt und arbeitet - nach eigenen Angaben recht isoliert und zurückgezogen - in seiner Geburtsstadt Čačak, in der Nähe von Belgrad. Nach einem technischen Studium versuchte er einige Jahre lang, dem Drang nach literarischem Schaffen zu widerstehen, bis er sich im Alter von 29 endgültig dem Laster des Schreibens hingab, wie er schmunzelnd erzählt. Dennoch versuche er, "so wenig wie möglich zu schreiben", betont er gerne. Trotz dieses guten Vorsatzes ist sein literarisches Werk inzwischen sehr beachtlich und auch viel beachtet. Einige seiner Erzählungen und Romane liegen auf Deutsch, Französisch und Spanisch vor, in Serbien fand vor allem sein letzter Roman "Sehr wenig Licht" große Beachtung und wurde mit bedeutenden Literaturpreisen ausgezeichnet. Matijević erzählt Mascha Dabić im daStandard.at-Interview, warum Serbien nach langer Zeit endlich wieder auf einem guten Weg ist.

daStandard.at: Was sagen Sie zum Gastauftritt Serbiens in Leipzig?

Matijević: Ich bin als Autor sehr zufrieden. Unser Stand hat eindrucksvoll gezeigt, dass Serbien eine moderne Literatur und eine dynamische literarische Szene vorzuweisen hat, sowie einige Autoren, die in alle Weltsprachen übersetzt wurden. Ich war Buchmessen und Gastauftritten von Ländern gegenüber immer sehr kritisch eingestellt, aber diesmal muss ich wirklich zugeben, dass alles wunderbar funktioniert hat. Das große Interesse des deutschsprachigen Publikums bestätigt meine Einschätzung. Ich denke, nach langer Zeit hat Serbien es endlich geschafft, sich in einem positiven Licht zu präsentieren.

daStandard.at: Bislang ist nur einer Ihrer Romane ins Deutsche übersetzt ("Die Abenteuer der Mieze A."), andere Texte liegen auch auf Französisch und Spanisch vor. Was bedeutet es für Sie als Autor, wenn Ihre Werke in Fremdsprachen übersetzt werden?

Matijević: "Die Abenteuer der Mieze A." ist nicht mein neuestes Buch, aber nachdem es ins Deutsche übersetzt ist, wurde es dem Leipziger Publikum präsentiert. Dieser Roman ist eine Parodie auf die Ritterromane des 17. Jahrhunderts, es geht um eine freizügige junge Frau und ihre amourösen Abenteuer.

Normalerweise gelten meine Bücher als düster und problembeladen, ich schreibe über den Menschen des 21. Jahrhunderts und seine Probleme und seinem Wunsch, diese Probleme zu lösen. Aber dieses Buch ist eine Ausnahme, es ist eben eine geistreiche Parodie, zum Teil auch ein wenig schockierend. Vielleicht wurde es gerade deshalb in Serbien nicht wirklich wahrgenommen, weder von der Literaturkritik, noch von der Leserschaft. Nachdem aber die französische Fassung sehr erfolgreich war und der Roman auch auf Deutsch und Spanisch eine gewisse Aufmerksamkeit erregte, wurden die serbischen Literaturkritiker wieder darauf aufmerksam. Die Übersetzungen hatten also einen gewissen Rückkoppelungseffekt.

daStandard.at: Wie ist es derzeit um die Literatur in Serbien bestellt?

Matijević: Die Literatur ist breit gefächert, es tut sich viel. Aber die Verleger klagen, dass die Verkaufszahlen katastrophal sind. Seit Jahren verschlechtert sich die Lage zusehends, aber heuer soll es besonders schlimm sein. Ich habe allerdings mit meinem neuesten Buch ("Sehr wenig Licht") Glück, es gibt schon eine dritte Auflage, wenn man auch dazu sagen muss, dass die Auflagen in Serbien recht klein sind.

daStandard: Wie denken Sie, wird die serbische Literatur von außen wahrgenommen?

Matijević: Mein Gefühl ist, dass die Deutschen wie die meisten anderen Völker gegenüber fremdländischer Literatur einigermaßen verschlossen sind. Die Franzosen bilden da vielleicht eine Ausnahme, sie sind recht offen für die rumänische, russische und auch serbische Literatur, aber die meisten Menschen interessieren sich hauptsächlich für die Literatur aus ihrem eigenen Sprachraum. Wir wiederum möchten auf diese Märkte vordringen und wollen, dass man unsere Arbeit auch außerhalb unserer Landesgrenzen kennenlernt.

daStandard: Kann eine Buchmesse diesbezüglich Abhilfe schaffen?

Matijević: Diese Buchmesse stellt einen Schritt vorwärts dar, es sind mehr als dreißig Bücher aus dem Serbischen ins Deutsche übersetzt worden. Unser Kulturministerium hat diese Übersetzungen auch finanziell unterstützt. Wenn es nur dabei bleibt, dann war dieser Schritt nicht bedeutend. Aber wenn die Entwicklung so weiter geht, wenn im Laufe der nächsten vier oder fünf Jahren weiterhin Bücher übersetzt werden, dann wird man sagen können, dass diese Messe einen wichtigen Anfang darstellt.

Es gibt bereits einige wenige Autoren aus Serbien, die regelmäßig ins Deutsche übersetzt werden, ich denke dabei an David Albahari, Dragan Velikić, Goran Petrović und Milorad Pavić. Diese Autoren sind seit Jahrzehnten im deutschsprachigen Raum präsent und ziehen vielleicht andere Autoren mit. Wenn sich der Trend fortsetzt, könnte es sein, dass irgendwann zehn bis fünfzehn serbische Autoren für das deutschsprachige Publikum ein Begriff sind. (Mascha Dabić, daStandard.at, 27. März 2011)