Edlinger: Was macht man eigentlich, wenn man sich als Musiker "Trouble Over Tokyo" nennt und noch dazu blöderweise 2010 ein Album namens The Hurricane herausgebracht hat?

Divjak: Im Ernst? Gib's zu, das hast du erfunden - als perfekten Einstieg in die Thematik ...

E: Nein, den gibt's wirklich! Der Typ macht laut Wikipedia "Indie-Electro-Angst-Pop". Der hat sogar einen Song namens Kryptonite im Repertoire.

D: Also, obwohl ja niemand etwas dafür kann: Das Booking stelle ich mir in dem Fall einigermaßen delikat vor.

E: Apropos Booking: Hattest du nicht kürzlich eine Lesung in Leipzig? Wie war's denn auf der Buchmesse?

D: Da war Japan auch ein großes Thema, aber nicht nur wegen Erdbeben, Tsunami und Atomhorror. Ein paar hundert "Cosplayers" haben heuer wieder das Messegelände geflutet.

E: Cosplayers? Hat das was mit Crossdressen zu tun?

D: Na ja, es geht schon ums Verkleiden, aber mehr im japanischen Sinn. Der Ausdruck kommt von Costume-Players. Da tummeln sich Jugendliche in irren Fantasy-Outfits, Mangas, Video-Games, Filme, was weiß ich. Asiatische Schulmädchen mit grellen Perücken, archaische Kämpfer, Trolle, sphärische Elfen, massig Teenage-Mutanten.

E: Das muss diesmal aber makaber gewesen sein. Angesichts verwüsteter Landstriche und der Angst von verseuchtem Wasser und verstrahlten Lebensmitteln ...

D: Nein, makaber kam es nicht herüber, weil bei den Kids die Lust am Posieren überwogen hat. Und diese superdetailgenauen Rollenspieladjustierungen, die haben etwas. Bill Kaunitz von Tokio Hotel wäre in der Menge völlig untergegangen.

E: Toll. Und ich dachte immer, Buchmessen sind was für ernsthafte ältere Damen und Herren, die bei ein paar Lesungen gemütlich mützen.

D: Das war gestern. Heute wollen doch alle Teil einer Jugendbewegung sein.

E: Vielleicht war die Cosdresser-Party auch eine Art verkleidete Trauer, nur halt übersetzt in eine Fantasy-Welt, in der man sich vom Grauen der verschärften News-Realität distanzieren kann?

D: Zugegeben, das hat etwas, Aber die waren auf faszinierende Art alle hyperreal. Ich fand diesen knallbunten Jugendauflauf sehr sympathisch, obwohl ich sonst schon beim Faschingsdienstagsaufmarsch von Supermarktverkäuferinnen zusammenzucke. Zudem hatte es in Leipzig den Anschein, als gäbe es auch abseits der Messe ausschließlich junge Menschen.

E: Sagt man das nicht immer, wenn man einmal aus Wienhinauskommt?

(DER STANDARD/ALBUM - Printausgabe, 26./27. März 2011)