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Wer Hilfe braucht, muss ins Geldbörsl greifen: 105 Euro kann ein Druck auf den Notrufknopf kosten.

Foto: APA/dpa/Jens Büttner

Wien - "Im Pflegeheim", sagt Frau C.*, "da würde ich aus dem Bett gar nicht mehr herauskommen." Also versucht sie, allein in ihrer Wohnung zurechtzukommen - trotz des Muskelschwundes, der ihr das Gehen schwermacht. Mit Schienen an den Beinen und einem Wagerl bewegt sich die 85-jährige Wienerin durch ihre Wohnung. Alle paar Monate stürzt sie dabei: "Dann liege ich wie ein Marienkäfer auf dem Rücken und komme einfach nicht mehr auf."

Für solche Fälle trägt Frau C. ein Heimnotruf-Armband des Samariterbunds (ASBÖ) am Handgelenk. 26,10 Euro bezahlt sie monatlich dafür, dass per Knopfdruck jederzeit die Helfer ins Haus kommen. Meist genügt es, wenn sie Frau C. einfach wieder aufsetzen. Die Frage der Einsatzkräfte, ob man sie denn ins Krankenhaus bringen soll, verneint die 85-Jährige fast immer.

Anfang des Jahres musste Frau C. wieder einmal den Knopf betätigen. Der Vorfall war längst vergessen, als Mitte März plötzlich eine Rechnung des ASBÖ in ihrem Postkasten landete. 105 Euro soll sie nun für den Einsatz zahlen. "Die Bezahlung der Kosten wurde von der Krankenkasse abgelehnt! Begründung: keine ausreichende medizinische Begründung", steht in dem Schreiben.

Gebietskrankenkasse entscheidet über Kosten

Frau C. ist kein Einzelfall, wie eine Nachfrage des Standard beim ASBÖ ergab: Nach einem solchen Einsatz schicke man die Abrechnung an die Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK), die entscheidet, ob sie die Kosten übernimmt - und immer öfter falle diese Entscheidung negativ aus. Bei der WGKK bestreitet man dies freilich: Es habe keine Änderung in der Praxis gegeben; vielmehr sei ein derartiges Heimnotruf-Gerät "ein Angebot auf Kosten Dritter". Die Einsätze müssten in so einem Produkt einkalkuliert werden. Allgemein sei die Kasse laut ASVG nur für Krankentransporte zuständig, die in Verbindung mit einer Behandlung stehen, also beispielsweise bei Dialysepatienten.

Bei der Wiener Patientenanwaltschaft gingen bereits mehrere Anfragen zu dem Thema ein - es handle sich um ein "relativ neues Problem", sagt Sprecher Gerhard Neustifter. Derzeit werde versucht, die Beteiligten an einen Tisch zu bekommen, "um das Zusammenspiel zu verbessern".

Kassa "meistens im Recht"

Neustifter räumt auch ein, dass die Kassa "laut Gesetz in den meisten Fällen im Recht ist". Dennoch: "Da werden Kostenfaktoren hin- und hergeschoben, aber vor allem werden Patienten hin- und hergeschoben." Denn die Konsequenz der "sprunghaft höheren Kosten" könne für manche Betroffenen sein, ins Pflegeheim zu müssen.

Nachdem sie den Brief in ihrem Postkasten gefunden hat, hat sich Frau C. durch die Instanzen telefoniert. Das blieb in Bezug auf die Rechnung bisher zwar erfolglos; allerdings hat sie von einem Mitarbeiter der WGKK einen Rat bekommen: "Er hat zu mir gesagt, lassen Sie sich auf jeden Fall ins Krankenhaus bringen, dann kostet Sie der Einsatz nichts." Aber Frau C. sitzt nicht gern in Ambulanzen herum - "und abgesehen davon wäre das ja total unwirtschaftlich". (Andrea Heigl, DER STANDARD; Printausgabe, 26./27.3.2011)