Es gab einmal eine Zeit, da gab es interessante Politiker. Sie hatten ihre Schattenseiten, aber sie öffneten uns den Blick für etwas Neues. Kreisky, der große Modernisierer, sowieso. Dass er in unverzeihlicher Weise Friedrich Peter, das Mitglied eines SS-Mordkommandos, gegen Simon Wiesenthal in Schutz nahm, ist die sehr dunkle Schattenseite.

Erhard Busek, der dieser Tage 70 wurde, brachte Intellektualität, aber auch intellektuelle Arroganz in die unendlich dröge politische Landschaft. Vor allem aber begriff er, dass Österreich in Mitteleuropa liegt und kein Schrebergarten sein darf. Die Begegnungen mit den Dissidenten Lech Walesa, Václav Havel, György Konrad und auch mit den serbischen Nationalisten, die er ermöglichte, waren Augen öffnend auch für eine Journalistengeneration.

Franz Vranitzky hätte auch als Ex-Kanzler nicht den teuren Berater für den Bawag-Flöttl spielen sollen. Aber er war der erste Kanzler, der uneingeschränkt die österreichische NS-Verharmlosung und ihren Avatar Jörg Haider zurückwies; das und die Aufgabe des Verstaatlichungsdogmas sowie der EU-Beitritt waren Befreiungsschläge für die SPÖ wie für das Land.

Alois Mock war ein sehr konservativer Niederösterreicher. Er hat nie verstanden, warum der von ihm erfundene Kurt Waldheim als Ich-habe-nur-meine-Pflicht-getan-Bundespräsident unmöglich war. Aber er war durch und durch Europäer und hat als Außenminister das Land in die EU geführt.

Wolfgang Schüssel war einmal ein Reformer. In einem total verkrusteten Gewerkschafts-/ Kammerstaat, in dem jede private Initiative von hundert "Realverfassungen" behindert wurde, öffnete er schon Mitte der 80er-Jahre die Augen für das Prinzip Privatisierung/Deregulierung. Umso schlimmer dann, als Schüssel als Kanzler die Umsetzung seiner - an sich richtigen - Ideen der frechsten und dümmsten Abzockerbande der Republikgeschichte übergab. Gewiss, er brauchte die FPÖ, aber er verdarb seine Politik damit.

Wie immer man die Bilanz bei diesen Persönlichkeiten zieht, sie hatten Gestaltungskraft und den Mut zu Neuem. Aber wer wird heute Politiker? Und warum soll man es wollen? Um seine Gesundheit, sein Privatleben zu ruinieren und von irgendwelchen Krawalljournalisten hergewatscht zu werden? Immer auf der Hut vor Parteirivalen sein müssen? Für relativ wenig Geld?

Wer dennoch in die Politik geht, hat zwei Motive: zum einen, das sind die beschränkteren, um aus der Position Geld abzumelken. Die anderen (Überschneidungen gibt es natürlich) suchen den Kick, den die Macht im engeren Sinne und die Zustimmung im Volk verleiht. Sie sind daher fast durch die Bank Populisten, weil das so am einfachsten geht. Dem Volk aufs Maul schauen ist ja okay - aber die reden ihm ja nach dem Mund. Nur kann man so nichts gestalten, nichts Neues, Riskantes unternehmen.

Es hat in den letzten Jahren eine kumulative Entwicklung gegeben zur Mittelmäßigkeit, Mutlosigkeit, Inhaltslosigkeit, verbunden mit der Bereicherungskomponente. Das kann man wieder ändern, aber zunächst einmal muss man diese Realität erkennen.(Hans Rauscher, DER STANDARD; Printausgabe, 26./27.3.2011)