"Ich sehe keine Obama-Doktrin." Das gab unlängst ein konservativer Kommentator mit Blick auf den Umgang der US-Regierung mit der Libyen-Krise zu Protokoll. Der Mann hat recht. Barack Obama folgt keinen feststehenden außenpolitischen Lehrsätzen. Der US-Präsident ist durch und durch Pragmatiker. Und so begegnet er auch den Umwälzungen in der arabischen Welt: In Tunesien nahm er die schützende Hand von Ben Ali, in Ägypten setzte er auf die Armee und in Libyen zog er widerwillig in den Krieg - immer dem Gebot der Stunde folgend.
Als er wenige Stunden, bevor die ersten Cruise-Missiles auf libyschem Boden einschlugen, das Terrain für die Mission aufbereitete, war Obama anzusehen, dass er bereits auf Wahlkampfmodus umgeschaltet hat. Die Amerikaner sind kriegsmüde, sie wollen nicht, dass sich die USA in einem dritten Krieg federführend engagieren. Diese Stimmungslage findet sich in allen Umfragen wieder. Und mit einer vorsichtigen Haltung hier schafft es der Präsident, die Linken und Moderaten anzusprechen, die er braucht, wenn er seinen Job länger als vier Jahre ausüben will.
Dass ihn die Republikaner für die diffusen Ziele der Libyen-Operation verantwortlich machen und ihn nur 18 Prozent der Amerikaner für einen guten Oberbefehlshaber halten, mag schmerzen. "Kriegsentscheidend" ist das am Dienstag, den 6. November 2012, wohl nicht. Denn wenn es derzeit eine Obama-Doktrin gibt, dann die: Wiederwahl. (Christoph Prantner /DER STANDARD, Printausgabe, 26.3.2011)