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Eine Frau sitzt in einem Zentrum für Evakuierte aus der 20-Kilometer-Zone um Fukushima.

Foto: AP/Wally Santana

Tokio - Mit Gummistiefeln wäre es nicht passiert. "Wir haben in unseren Sicherheitshandbüchern kein Szenario, in dem Mitarbeiter durch Wasser waten, dass aus einem Atomkraftwerk ausgetreten ist", entschuldigte die Elektrofirma Kandenko das falsche Schuhwerk ihrer Angestellten.

Die drei Männer waren bei Arbeiten im Reaktor 2 von Fukushima in Pfützen hochradioaktiven Wassers gestiegen. Zwei mussten wegen drohender Strahlenverbrennungen an den Füßen ins Spital gebracht werden. Radioaktives Material könnte auch in ihren Körper eingedrungen sein. Am Freitag waren sie aber wohlauf und zeigten keine Symptome.

Auch AKW-Betreiber Tepco wurde für seine Arbeitsweise kritisiert: Niemand hatte die Strahlenwerte in dem Gebäude gemessen, bevor die Männer es betreten hatten. Warnungen ihrer Dosimeter hatten die Arbeiter ignoriert, weil sie diese für defekt hielten.

Auch in den Reaktoren 1 und 3 wurden stark strahlende Lacken entdeckt, die bis zu 40 Zentimeter beziehungsweise 1,5 Meter tief sein sollen. In den Reaktorblöcken 2 und 4 stehe das Wasser in den Pützen bis zu einem Meter beziehungsweise bis zu 80 Zentimeter hoch. Unklar blieb am Freitag, woher das Wasser gekommen war. Manche Experten spekulierten, es sei durch einen Riss im Druckbehälter des Reaktors ausgetreten, andere, dass es aus den Lagerbecken für alte Brennstäbe geronnen sein könnte.

Denkbar ist auch eine vergleichsweise beruhigende Erklärung: "Die Reaktoren wurden mit enormen Mengen Wasser gekühlt, viel davon ist verdampft. Dieser Dampf kann all das radioaktive Material, das sich in den vergangenen Tagen in dem Gebäude angesammelt hat, abwaschen, und es läuft dann konzentriert in Lacken zusammen", sagt Mario Villa vom Atominstitut der TU Wien.

Reaktor 3 wird als einziger der Reaktoren in Fukushima mit Mox-Brennelementen betrieben, in denen neben Uran vier bis fünf Prozent Plutonium enthalten sind - zehnmal mehr, als in jedem Reaktor im Normalbetrieb entsteht.

Besonders gefährlich macht ihn das derzeit nicht: Im Gegensatz zu Jod und Cäsium kann Plutonium nicht über Dampf freigesetzt werden. Erst wenn das Containment zerbricht oder die Kerne durch die Schutzhülle in den Boden schmelzen, könnte es austreten. Daher ist laut Villa auch auszuschließen, dass bereits Plutonium freigesetzt wurde: "Das könnte man auch sehr gut messen."

Tepco begann am Freitag, das verstrahlte Wasser zu entfernen. Arbeiter fingen damit an, die Reaktoren 1 und 2 mit Frischwasser statt Meerwasser zu kühlen und so eine Verkrustung der Brennstäbe durch Salz zu verhindern.

Auch Japans Premier Naoto Kan konnte am Freitag nicht sagen, wann sich die Situation in Fuku-shima entspannen werde: "Wir versuchen alles, damit es nicht schlimmer wird, aber Optimismus ist nicht angebracht", sagte Kan.

Tepco warnte, dass Japan im Sommer drastische Stromengpässe bevorstehen: Im Juli benötigt Tokio und seine umliegenden Präfekturen zu Spitzenzeiten 55 Millionen Kilowatt, Tepco könne aber aufgrund beschädigter Kraftwerke höchstens 46,5 Millionen liefern. Derzeit kann Tepco 36,6 Millionen bereitstellen.

Der Konzern hatte um Kredite von bis zu 17 Mrd. Euro angesucht, um seine Kraftwerke wieder aufzubauen. Staatshilfe wird es nicht geben: Die Firma wird keine Gelder aus dem Katastrophen-Fonds der Regierung bekommen, sagte ein Sprecher am Freitag. (tob, DER STANDARD; Printausgabe, 26./27.3.2011)