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Zehntausende demonstrierten in Hamburg gegen die Atomkraft.

Foto: EPA/KAY NIETFELD

Beim bisher größten Protest gegen Atomkraft in Deutschland haben am Samstag Hunderttausende Menschen in den vier deutschen Millionenstädten für die sofortige Abschaltung aller Atommeiler demonstriert. Auf Kundgebungen in Berlin, Hamburg, München und Köln werteten Redner die Atom-Katastrophe in Japan als Beleg für die Unbeherrschbarkeit der Atomkraft. In Rom gingen am Samstagnachmittag einige Tausende Menschen auf die Straße, um die Regierung von Ministerpräsident Silvio Berlusconi zum Verzicht auf ihre Atompläne aufzurufen.

250.000 TeilnehmerInnen in Deutschland

In Deutschland sprachen die Veranstalter von insgesamt 250.000 TeilnehmerInnen, die Polizei bezifferte ihre Zahl auf mehr als 200.000. Zu den Demonstrationen unter dem Motto "Fukushima mahnt - alle AKW abschalten" hatte ein breites Bündnis von Anti-Atom-Initiativen, Umweltverbänden, globalisierungskritischen und friedenspolitischen Organisationen aufgerufen. Allein in Berlin gingen den Veranstaltern zufolge 120.000 Atomkraftgegner auf die Straße. In Hamburg folgten 50.000 Menschen den Protestaufrufen, in Köln und München jeweils 40.000.

Mehrere Redner warfen der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eine "unverantwortliche Verzögerungs- und Verschleierungspolitik" vor. Mit ihrem Moratorium für die AKW-Laufzeitverlängerungen sowie mit den von ihr eingesetzten Kommissionen weiche sie der Notwendigkeit eines sofortigen Atomausstieg aus.

Für Atomausstieg

SPD-Chef Sigmar Gabriel wertete die große Beteiligung als Beleg dafür, dass die Menschen in Deutschland den Atomausstieg wollten. "Sie wollen, dass wir die Energiewende beschleunigen." Die ältesten Atomkraftwerke müssten "sofort und endgültig vom Netz", sagte Gabriel, der in Berlin mitdemonstrierte. "Alle anderen müssen anhand modernster Sicherheitsanforderungen überprüft und dann nach und nach abgeschaltet werden."

In Rom riefen die Demonstranten die Regierung Berlusconi zum Verzicht auf eine Rückkehr zur Atomenergie auf. Die Kundgebung wurde von einem Bündnis aus Oppositionsparteien und Umweltschutzorganisationen organisiert. "Das einzig Sichere ist, dass Atomenergie unsicher ist", war auf einem Plakat der Demonstranten zu lesen. "Hände weg von unserer Zukunft!", riefen einige junge Demonstranten.

Am Referendum beteiligen

Die Anti-Atom-Aktivisten appellierten an die Italiener, sich am 12. und am 13. Juni am Referendum zu beteiligen, mit dem ein umstrittenes Gesetz zum Neubau von Kernkraftwerken im Land verhindert werden kann. Gegen das Gesetz, mit dem die Regierung Berlusconi nach 23 Jahren wieder die Rückkehr zur Atomenergie besiegeln will, hatten Oppositionsparteien in den vergangenen Monaten über eine halbe Million Unterschriften gesammelt.

Die Italiener hatten sich bereits 1987 - ein Jahr nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl - in einem Referendum für den Ausstieg aus der Atomenergie ausgesprochen. Premier Berlusconi hatte sich jedoch lange für eine Aufhebung dieser Entscheidung stark gemacht und dabei vor allem auf die extrem hohen Strompreise in Italien verwiesen. Nach dem Atomunfall im japanischen Fukushima beschloss die Regierung am Mittwoch, ihre Pläne zur Rückkehr zur Atomkraft ein Jahr lang einzufrieren.

Skepsis

In Deutschland warnte Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) am Wochenende die Energiekonzerne davor, das jetzige Atom-Moratorium als Vorwand für höhere Strompreise zu nehmen. Ein Wiederanfahren der Alt-Meiler nach dem dreimonatigen Aus beurteilte sie allerdings auch skeptisch: "Wenn wir die Sicherheitsstandards deutlich erhöhen müssen, wird es ältere Reaktoren geben, die nicht wieder ans Netz gehen", sagte sie der "Super Illu". Noch deutlicher wurde CSU-Chef Horst Seehofer: "Ich kann mir schwer vorstellen, dass es wirtschaftlich ist, sie noch einmal nachzurüsten", sagte er im Hinblick auf alle sieben Reaktoren. (APA)