London/Brüssel/Wien - Die Lobbyisten-Affäre im Europäischen Parlament zieht weitere Kreise. Die britische Zeitung "Sunday Times" berichtete am Sonntag, dass auch ein spanischer Abgeordneter heimlich dabei gefilmt worden sei, wie er angeblichen Lobbyisten Änderungen an Gesetzen zugesagt habe. In den Gesprächen sei auch von Bezahlung die Rede gewesen. Pablo Zalba Bidegain von der konservativen spanischen Volkspartei (Partido Popular/PP) sei damit nach Ernst Strasser, Zoran Thaler und Adrian Severin der vierte Europaparlamentarier, der in die Affäre involviert sei.

Der 36-jährige Politiker aus Pamplona sei einer von insgesamt 14 Abgeordneten gewesen, die in den Wintermonaten mit Undercover-Journalisten der Zeitung zusammengetroffen seien. Im vergangenen Monat habe der Spanier einen Änderungsantrag mit exakt den Worten eingebracht, "die von unseren Undercover-Journalisten, die sich als Lobbyisten ausgaben, für ihn geschrieben worden sind. Die Reporter hatten klargemacht, dass er für die Arbeit bezahlt würde", heißt es in dem auch im Internet veröffentlichten Artikel.

Für einen Europaparlamentarier gehe ein Abänderungsantrag "leicht"

Das erste Treffen mit Zalba habe im Jänner in seinem Büro in Straßburg stattgefunden, schreibt die "Sunday Times" weiter. Die Reporter hätten dabei angegeben, dass sie von einer Lobby-Firma mit Sitz in London seien. Diese wolle einen "Partner im Parlament" für ein beratendes Gremium engagieren, der dabei helfen könnte, Gesetzgebung "zu beeinflussen". Zalba habe gemeint, dass es generell "leicht" sei für einen Europaparlamentarier, Gesetze nachzubessern.

Später hätten die Reporter den Abgeordneten in einem E-Mail nach Veränderungen an einem Teil der Direktive über Systeme zur Entschädigung von Anlegern (ICS) gefragt. Zuerst habe Zalba eine Version zurückgemailt, die den gegenteiligen Effekt von dem gehabt hätte, was die Reporter gewollt hätten. Im Februar habe der Abgeordnete jedoch einen Text vorgelegt, der genau dem Gewünschten entsprochen habe, und diesen auch selbst eingebracht. Bei einem Treffen mit den Reportern habe er wiederholt, dass er "definitiv" mit der Lobby-Firma zusammenarbeiten wolle. Die Entscheidung über die Bezahlung habe er jedoch verschieben wollen, bis er wisse, ob er den Job annehmen dürfe.

Als er im März von der Zeitung konfrontiert wurde, erklärte der Spanier demnach, dass er eine Bezahlung abgelehnt habe und die Formulierungen in dem Änderungsantrag seine eigenen seien. Laut "Sunday Times" erklärten seine Anwälte später, der Politiker habe nie zu verstehen gegeben, dass er das Jobangebot von der angeblichen Lobby-Firma annehmen wolle. Die Änderungen seien eine gute Idee gewesen, die den Gesetzesentwurf verbessert hätten, und nicht aus finanzieller Motivation zustande gekommen.

Der EU-Abgeordnete Martin Ehrenhauser (Liste Martin) forderte in einer Aussendung den Rücktritt des spanischen Parlamentariers. "Wer nicht sauber ist, soll möglichst rasch Konsequenzen ziehen. Um wochenlange Enthüllungen und weiteren Schaden für das Vertrauen in die Demokratie abzuwenden, müssen nun alle weiteren Abgeordneten, die in die eigene Tasche wirtschaften, zurücktreten", so Ehrenhauser.

Bisher waren die Namen von drei Europaabgeordneten bekannt, die Enthüllungsjournalisten der "Sunday Times" auf den Leim gegangen sein sollen, die als Lobbyisten getarnt 100.000 Euro für das Einbringen von Gesetzesvorschlägen geboten hatten. Während Ex-Innenminister Strasser (V) und der slowenische Sozialdemokrat und Ex-Außenminister Zoran Thaler bald nach den Enthüllungen zurücktraten, verweigert der frühere rumänische Vize-Premier Severin diesen Schritt, obwohl ihn sogar Parlamentspräsident Jerzy Buzek dazu aufgerufen hat. Die sozialdemokratische Fraktion im Europaparlament hat Severin bereits ausgeschlossen. Alle drei Politiker betonen ihre Unschuld. (APA)