In den Stromschnellen stehen die Fische, gelbgraue, hungrige Äschen vor allem.

Hotel Kovacs, Sela 5, 1337 Osilnica
Hotel Hvala, Trg svobode 1, 222 Kobarid
Hotel Bohinj, Triglavska cesta 17, 4264 Bohinjska Bistrica

Foto: Doris Priesching

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Foto: Leykam

An unzähligen Plätzen Sloweniens wartet sie auf ihre Besucher: die Welt von gestern. Kleine Dörfer mit noch intaktem Ortszentrum und eigenständigem Charakter, mit Gostilna, Greißler, Trafik und einer Hand voll gut herausgeputzter Handwerksläden. Drogeriemarktketten, Billigdiskonter und Schnellimbisse, die überall anderswo die Ränder des ländlichen Ortsbildes prägen, sind bisher nicht hierhergekommen. Noch mussten sie nicht aufgeben oder aus dem Zentrum ausweichen an die Peripherie, zum Gewerbepark, in denen es nur noch Parkplätze, aber keine anderen Lebensräume zu geben scheint, die zum Anhalten anregen. Welt von gestern: So auch hier, in Osilnica im Südosten Sloweniens an der Grenze zu Kroatien, Stützpunkt für Fliegenfischer, die von Österreich, Deutschland und Frankreich extra hierher anreisen.

Wer zu den Fischen will, muss über die Grenze nach Kroatien. Das wirkt seltsam, weil man noch Pässe zeigen muss, obwohl man mitten im EU-Land ist. Die Zollbeamten tun ihre Arbeit mit der Gewissenhaftigkeit und Strenge, in der die Sinnlosigkeit der eigenen Tätigkeit längst das Bewusstsein der Uniformierten erreicht hat, die sich deshalb umso ernster ihrer Aufgabe zu widmen scheinen und Autos filzen, als gäbe es kein Morgen. Nur wenn es regnet, bleiben sie in ihrem Häuschen sitzen und winken durch.

Erlebnishungrige Besucher

Am Eingang zum Hotel Kovacs hängt das Fell eines kapitalen Burschen. Obwohl man es bei Begegnung vermutlich unmittelbar nicht so empfinden wird: Es braucht Glück, um einen Bären in der Größe zu finden. Simon, Chef des Hauses, gehört schon der halbe Ort. Er managt das Hotel, verwaltet Appartements in den umliegenden Häusern, begleitet Rafter, bedient die Gäste im Restaurant, heißt sie an der Rezeption willkommen oder verabschiedet sie, je nachdem. Und er holt die Zutaten für die herrlich-kräftigen Suppen, die jeden Abend auf der Speisekarte stehen: Gemüse und Steinpilze dürfen die Gäste genießen.

Wille zur Erneuerung treibt auch ihn: Hinter seiner 100 Jahre alten Herberge entsteht das Wellnesscenter. Im kleinen Osilnica wirkt der Rohbau wie eine Reminiszenz an die Moderne. Die erlebnishungrigen Besucher, die von Beschäftigungen wie Rafting, Hydrospeed, Tennis, Paintball, Bogenschießen, Kanu und Kajak Erholung zurückkehren, werden die Einrichtungen dankbar annehmen. An den Wochenenden kommen sie busweise und bringen den Hoteldirektor ins Schwitzen.

Schwere Wattstiefel

Nicht weit von hier, noch in Kroatien, entspringt die Kolpa, dort heißt sie Kupa. Bei Osilnica erreicht sie eine Breite von etwa 20 Metern, links und rechts wuchert Pflanzenwerk, von stacheligen Brombeeren bis zu mannshohen Farnen, in die sich gern Schlangen verdrücken, wenn sie von den schweren Wattstiefeln der Fischer aufgescheucht werden. Am Beginn des Reviers ragt ein Obelisk aus dem knietiefen Wasser. Das Wasser ist selbst im Hochsommer eiskalt, was dazu führt, dass sich morgens und abends ein Dunstschatten auf die Oberfläche legt. Beim Gewitter ziehen die Regenströme wie Schleier darüber hinweg, der Nebel über dem Fluss steigt wie Rauchschwaden empor. In den Stromschnellen stehen die Fische, gelbgraue, hungrige Äschen vor allem. Simon darf heute Abend zufriedene Gäste bewirten.

Der Ursprung der Soca erinnert an einen Geburtskanal. Wie aus einer riesigen Felsvagina sprudelt das Wasser. Das, was sie ausschwemmt, sorgt für Begehrlichkeiten in der neuen Welt: Die Marmorata gilt als Königin unter Sloweniens Fischen. Sortenrein kommt sie nur hier und in Süd- tirol vor.

Folglich dreht sich an der Soca flussabwärts alles um die Marmorata. 7000 Lizenzen stellt der Verein jährlich aus. Das zu befischende Gebiet ist riesig, umfasst 138 Kilometer oder 433,6 Hektar und neben Soca auch noch eine Vielzahl weiterer Flüsse wie Idrijca oder Bajca. Mindestens 60 cm groß muss die Marmorata sein, um entnommen werden zu dürfen. Für eine Forelle ist das eine beachtliche Größe. Das gewaltige Exemplar in der Lobby des auf Fliegenfischerei spezialisierten Hotel Hvala in Kobarid misst etwa einen Meter. Nichtfischer mögen das als furchterregend empfinden, Eingeweihten bleibt die Spucke weg.

Der Tourismus mit Fliegenfischern ist an der Soca zu einer ökonomischen Größe geworden. 2,3 Millionen Euro pro Jahr erwirtschaftet die Region zwischen Kobarid und Tolmin. Während Rafter und Kanufahrer eher Durchreisende sind, bleiben die Fliegenfischer länger, bis zu fünf Tagen. Mehr als 90 Prozent setzen die Fische wieder zurück. Die Fliegenfischfarm in Tolmin züchtet und lässt sie nach wenigen Wochen ins Wildwasser, rund 80.000 sollen es insgesamt sein.

"Was war bisher am besten?", will Marco das Urteil der Slowenien-Reisenden wissen. Schwer zu sagen, die Landschaft so herrlich, die Flüsse, die Seen, das Baden! "Ich meine das Fliegenfischen", korrigiert der Guide. Marco ist einer der professionellen Guides Sloweniens. Bei ihm kann man lernen, sich Flussläufe und Zugänge und die richtigen Fliegen zeigen lassen. Mit einer Fliege, mit der man an österreichischen Gewässern gute Erfolge erzielt, kann man sich ein paar hundert Kilometer weiter brausen gehen.

Also gut, Marco, die Sava ist zum Fliegenfischen am besten. Wieso? Weil die Sava Abschnitte zwischen Bohinj Bistrica und Bohinj See hat, an denen man tagelang fischen kann und wo es nicht langweilig wird in diesem vermoosten Märchenland, weil der Abendsprung so großartig war und weil die Fische gar nicht aufhören wollten zu beißen. (Doris Priesching/DER STANDARD/Printausgabe/26.03.2011)