Wien - Im Vorjahr hat es laut Amnesty International (AI) weltweit weniger Hinrichtungen gegeben und mehr Staaten, die die Todesstrafe nicht vollstrecken. Laut am Montag von der Menschenrechtsorganisation veröffentlichten Zahlen wurden im Jahr 2010 in 23 Ländern mindestens 527 Menschen hingerichtet. 2009 seien es noch mindestens 714 gewesen, teilte Amnesty in einer Aussendung mit. Die meisten Exekutionen gab es demnach in China und im Iran. Insgesamt halten 58 Länder weiter an der Todesstrafe fest, doch mehr als Hälfte davon haben im Vorjahr keine Todesurteile vollstreckt.

China hält die Anzahl der Todesurteile und Exekutionen nach wie vor geheim. Amnesty geht jedoch von tausenden Hinrichtungen aus, mehr als in allen anderen Staaten der Welt gemeinsam. Die Behörden im Iran bestätigten die Hinrichtung von 252 Gefangenen, darunter fünf Frauen und ein zur Tatzeit Jugendlicher. Amnesty habe jedoch aus glaubwürdigen Quellen von mindestens 300 weiteren Hinrichtungen erfahren, die verheimlicht würden, heißt es in der Aussendung. In Nordkorea fanden demnach mindestens 60 Exekutionen statt, im Jemen mindestens 53, in den USA 46 und in Saudi-Arabien mindestens 27.
Bis heute haben laut Amnesty 139 Länder die Todesstrafe in Gesetz oder Praxis abgeschafft, zuletzt Gabun und die Mongolei. 2001 waren es erst 108 gewesen. Dem weltweiten Trend zur Abschaffung widersetze sich eine kleiner werdende Gruppe von Ländern, darunter Weißrussland. China und der Iran wendeten die Todesstrafe weiterhin systematisch an.

"Jedes Land, das diese grausame und menschenverachtende Strafe noch anwendet, stellt sich heute selbst ins Abseits", sagte Heinz Patzelt, der Generalsekretär von Amnesty International in Österreich, laut der Aussendung. "Die Frage ist nicht mehr, ob die Todesstrafe weltweit abgeschafft wird, sondern wann es so weit sein wird."

Als Rückschläge im Vorjahr nennt Amnesty, dass mehrere Länder, darunter Weißrussland, nach längerer Unterbrechung wieder Todesurteile vollstreckten. Nach dem ersten hinrichtungsfreien Jahr in Europa und Zentralasien 2009 habe Weißrussland im März 2010 zwei Gefangene exekutiert und drei weitere Menschen zum Tod verurteilt. Gambia habe die Anwendung der Todesstrafe ausgeweitet.

In Ägypten, China, Indonesien, dem Iran, dem Jemen, Laos, Malaysia, Libyen, Thailand, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Saudi-Arabien machten Drogendelikte einen erheblichen Anteil der Todesurteile und Hinrichtungen aus. Aber auch Wirtschaftsdelikte, einvernehmliche sexuelle Beziehungen zwischen Erwachsenen und Gotteslästerung wurden in einigen Ländern mit dem Tod bestraft. Der Iran, Pakistan, Saudi-Arabien, der Sudan und die Vereinigen Arabischen Emirate setzten sich über das internationale Verbot hinweg, Todesurteile an Personen zu vollstrecken, die zum Zeitpunkt der Straftat unter 18 Jahre alt waren.
In den USA, dem einzigen Land auf dem amerikanischen Kontinent, das Gefangene hinrichtet, wurden laut Amnesty 110 Todesurteile gefällt, was etwa einem Drittel der Hinrichtungen Mitte der 1990er Jahre entspreche. Im März 2011 schaffte Illinois die Todesstrafe endgültig ab und ist damit der 16. US-Staat, der die Todesstrafe aufgibt.

In Nahost und Nordafrika wurden für das Jahr 2010 insgesamt weniger Todesurteile und Exekutionen verzeichnet. "Wurde die Todesstrafe angewandt, so geschah dies oft nach unfairen Prozessen und für Delikte wie Drogenhandel oder Ehebruch", heißt es in der Aussendung.
Im südlichen Afrika schaffte Gabun im Februar 2010 die Todesstrafe endgültig ab. Damit seien heute insgesamt 16 Länder der Afrikanischen Union (AU) ohne Todesstrafe. Nur vier Länder hätten Todesurteile vollstreckt: Botswana, Äquatorial-Guinea, Somalia und der Sudan. (red, APA)