Rechnitz - In Rechnitz im Südburgenland hat am Sonntagnachmittag eine Gedenkfeier für die Opfer des Südostwallbaus in der Schlussphase des Zweiten Weltkrieges stattgefunden. Dabei wurde die Wichtigkeit des Erinnerns und der Wachsamkeit gegenüber einem neuerlichen Erstarken rechter und nationalistischer Tendenzen in der Gesellschaft betont. Nahe dem Kreuzstadl soll innerhalb von zwei Jahren ein Open Air Museum entstehen, kündigte Paul Gulda vom Verein RE.F.U.G.I.U.S. (Rechnitzer Flüchtlings- und Gedenkinitiative und Stiftung) an.
Wenn die Verteilung der Güter den Anschein habe, nicht mehr zu funktionieren, seien es die schwächsten Gruppen in der Gesellschaft, in denen Neid und Unsicherheit ihr Ventil finden würden. "Wenn diese Decke zu kurz wird, dann muss immer jemand gefunden werden, an dem man sich rächen kann", so Gulda: "Durch Jahrhunderte haben in Mitteleuropa die Juden und die Roma diese Rolle des Sündenbocks erfüllen müssen." Man müsse das Phänomen erkennen und an der Wurzel packen.
Ermordung im März 1945
Für die Initiative RE.F.U.G.I.U.S. sei die Errichtung des Museums ein bedeutungsvoller Schritt. Besucher sollen unter anderem auf Schautafeln und Videos verfolgen können, wie es aus historischer Sicht zu der Katastrophe am 24. und 25. März 1945 überhaupt kommen konnte. Damals wurden jüdische Zwangsarbeiter von den Nationalsozialisten, die im Schloss feierten, zum Kreuzstadl gebracht und ermordet.
"Das bedeutet keineswegs, dass wir die Hoffnung aufgeben, das eigentliche Grab der 180 bis 200 ermordeten Menschen zu finden. Es bedeutet aber auf jeden Fall eines: Dass man nicht sagen kann, dass Rechnitz, dass das Burgenland über diese Geschehnisse weiterhin schweigen möchte", sagte Gulda: "Jeder, der die Wahrheit wissen will, wird dieses Museum besuchen können."
"Das Gedankengut, das zu dieser Katastrophe geführt hat, ist leider noch immer vorhanden", meinte der evangelische Superintendent Manfred Koch: "An uns liegt es, hellhörig zu sein. Denn Worte drücken schon oft aus, wo die Verfolgung, wo die Diskriminierung wieder beginnt." Der emeritierte Bischof Paul Iby erzählte von seinen Kindheitserinnerungen in Raiding: Damals habe er jeden Tag Zwangsarbeiter zur Arbeit am Südostwall gehen gesehen.
Hoffnung
Der Kreuzstadl sei Jahrzehnte ein vergessener Ort der Geschichte gewesen, erklärte die Generalsekretärin des Allgemeinen Entschädigungsfonds und Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus, Hannah Lessing: "Nach vielen Jahren steht der Kreuzstadl heute endlich auch für die Hoffnung, dass das Bewusstsein der Menschen sich zu öffnen vermag gegenüber den Lehren der Vergangenheit, auch wenn dies manchmal sehr spät geschieht."
Als pars pro toto erinnere das Gebäude "an alle nationalsozialistischen Verbrechen, die in den Lagern entlang des ehemaligen Südostwalls begangen wurden". Erinnerungsarbeit sei unerlässlich, meinte Lessing: "An wenigen Gedenkorten treffen der Drang, zu vergessen und das Bedürfnis nach Aufarbeitung und Gedenken so hart aufeinander wie hier in Rechnitz. Was hier geschehen ist, hat allen Widerständen zum Trotz den Eingang in das kollektive Gedächtnis Österreichs gefunden und wurde auch über die Grenzen des Landes hinaus ein Begriff."
In Anlehnung an Ingeborg Bachmann würde sie noch einen Schritt weitergehen: "Die Wahrheit über die eigene Vergangenheit und die Suche danach ist nicht nur zumutbar, sie ist sogar notwendig." (APA)