Wien - Am 31. Dezember 2008 endete zwar der Vertrag von Wilfried Seipel als KHM-Generaldirektor. Doch als Beamter hätte der Ägyptologe noch ein Jahr im Dienst bleiben können. Es bedurfte daher eines Zuckerls, um ihn zur Frühpension zu bewegen: Kulturministerin Claudia Schmied beauftragte ihn mit zwei Studien, die er Ende 2009 hätte abgeben sollen.

Für die eine mit dem monströsen Titel Strategische Ansätze zur Weiterentwicklung der Bundesmuseen unter besonderer Berücksichtigung der Forschung als Fundament der Sammlungs- und Vermittlungsarbeit im internationalen Kontext waren 60.000 Euro als Honorar vorgesehen. Und für den Vergleich nationaler und internationaler Kulturvermittlungsarbeit an renommierten Kulturinstitutionen sollte er 40.000 Euro erhalten.

Wolfgang Zinggl, Kultursprecher der Grünen, sprach von einer "Lachnummer": Er zweifelte an Seipels Kompetenzen zur Durchführung der genannten Studien. Gegenüber dem STANDARD beteuerte der Ex-KHM-Chef aber, dass er diese allein zu schreiben gedenke. Doch er ließ sich lange Zeit: Die Abgabefrist für die Strategie-Studie musste auf Ende April 2010 erstreckt werden. Man kam daher überein, dass Seipel die zweite Studie nicht mehr angehen werde.

Im Dezember 2010 stellte das Ministerium die Strategie-Studie online. Ohne ein Wort darüber zu verlieren. Es brauchte daher einige Zeit, bis sich die Existenz der Arbeit herumgesprochen hatte.

Absatzlange Zitate

Vom Volumen her ist man zunächst beeindruckt: Die veröffentlichte Studie hat 555 Seiten. Doch Seipel entwickelte keine Ansätze zur Weiterentwicklung der österreichischen Bundesmuseen unter besonderer Berücksichtigung der Forschung, sondern berücksichtigte nur die Forschung. Und den Zusatz im internationalen Kontext strich er: Seipel vergleicht gerade einmal die Museumsforschung in Österreich mit jener in Deutschland. Nun ja - er stellt eigentlich nur die Wissensgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz e. V. vor. Um Zusammenfassungen bemüht er sich eher nicht: Das Kapitel besteht zu zwei Dritteln aus absatzlangen Zitaten.

Im Inhaltsverzeichnis werden zwar als Anhang "Beispiele der Präsentation nationaler und internationaler Museumsforschung" angekündigt. Tatsächlich findet man aber nur eine 14 Seiten lange Auflistung der Forschungsprojekte des British Museum.

Seipel verfasste die Arbeit auch nicht allein: Er versicherte sich der Unterstützung der Kunsthistorikerin Gabriele Goffriller. Ihre Aufgabe war es wohl, die "Materialien" zusammenzustellen: Von Seite 90 bis Seite 514 werden nur Publikationen und Forschungsprojekte der Bundesmuseen aufgelistet. Grundlage bilden Jahresberichte, Bibliothekskataloge und Websites. Da steckt, keine Frage, viel Copy-Paste-Arbeit dahinter. Doch was ist der Nutzen? Zumal ein Register fehlt - und das Ergebnis "keineswegs vollständig" ist.

Daran schließen sich 27 Seiten Bibliografie an. Nur ein Bruchteil der zusammengetragenen Literatur fand in Zitaten oder Hinweisen Eingang in die eigentliche Studie. Sie ist gerade einmal 83 Seiten lang - inklusive Vorwort und Dank. Und selbst diese Seiten zu füllen, tat sich Seipel schwer: Er wiederholt sich immer wieder - zum Teil wortwörtlich (siehe Seiten 51 und 89). Mehrfach weist er auf die Aufgaben der Museen gemäß der Definition von Icom hin, dessen Präsident er ist. Und gleich dreimal zitiert er die Ziele des Förderprogramms "for Muse" (auf den Seiten 7, 38 und 77). Nicht jedes Zitat wird dabei mit Anführungsstrichen kenntlich gemacht.

Und inhaltlich? Seipel bedauert, dass Claudia Schmied die alte KHM-Museumsordnung außer Kraft setzte, er räsoniert über Fusionen - und unterbreitet schließlich in Kapitel fünf ein paar Vorschläge "zur Weiterentwicklung der Museumsforschung", die er in Kapitel sechs noch einmal zusammenfasst. Empfohlen werden u. a. eine Koordinationsstelle für Museumsforschung, ein Förderungsfonds und ein Beirat. Echt einzigartig. (Thomas Trenkler, DER STANDARD - Printausgabe, 29. März 2011)