Auch wenn Anleger Klagen über Klagen einbringen - der erhoffte Goldregen bleibt meist aus.

Foto: Goldregen nach Alfred Kubin, Montage: Beigelbeck

Der Durchbruch im Streit zwischen den Amis-Opfern und der Republik gibt der Anlegerentschädigung neue Hoffnung. Muss diese die Schadenersatzforderungen nicht erfüllen, könnte sie die drohende Pleite abwenden - vorerst.

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Wien - Die Anlegerentschädigung für Wertpapierfirmen (AeW) kämpft seit Ende Februar ums Überleben. Der Einrichtung droht wegen der Pleite des Finanzdienstleisters Amis die Insolvenz, Forderungen geschädigter Anleger im Ausmaß von bis zu 70 Mio. Euro stehen höchstens sechs Millionen an Vermögen gegenüber. Das war für die Wirtschaftsprüfungsgruppe PwC Grund genug, die positive Fortbestandsprognose infrage zu stellen. Seither jagt eine AeW-Sitzung die nächste.

Die sich nun abzeichnende Lösung der Republik mit den 14.000 Amis-Geschädigten könnte der AeW eine Atempause verschaffen. Die Finanzprokuratur bietet den Anlegern an, 27 Prozent ihres Gesamtschadens zu ersetzen, was in etwa 40 Mio. Euro entspräche. Dieses Angebot gilt nur, wenn 83 Prozent dem Vorschlag bis zum 30. Juni zustimmen. Zünglein an der Waage ist der Prozessfinanzierer Advofin, der mehr als 2000 Geschädigte vertritt. Er hat noch nicht entschieden, ob er dem Vergleich zustimmen wird, sagt Advofin-Chef Franz Kallinger dem Standard. Man könne nicht über das OGH-Urteil hinwegsehen, wonach jeder Amis-Anleger 20.000 Euro erhalten müsse.

Andreas Köb, Vertreter anderer Amis-Anleger, spricht sich für die Annahme aus, weil das Geld rasch fließe und weitere Prozesse vermieden würden.

Im Zuge eines Vergleichs müssten die Geschädigten ihre Forderungen gegen AeW (und Amis) zurückziehen. Die AeW wiederum würde auf Ansprüche in Luxemburg - dort sammelte Amis das Anlegergeld ein - verzichten.

Fällt dieser Brocken von der AeW ab, hätte diese wieder etwas Handlungsspielraum. Zumindest vorübergehend, denn die nächste Bedrohung steht mit AvW-Invest bereits ante portas. Obwohl noch nicht einmal entschieden ist, ob die AvW-Pleite überhaupt ein Fall für die AeW ist, bedrohen erste Klagen die Einrichtung. Wie das geht? Indem Anlegeranwälte - vorerst auf Verdacht - Klagen gegen die AeW einbringen. Die AeW muss für Prozessrisiken in der Bilanz Rückstellungen bilden. Bis die Frage Anlegerentschädigung im Fall AvW vor Gericht entschieden ist, könnten Jahre vergehen und massiver Rückstellungsbedarf die AeW erdrücken.

Haftung für schwarze Schafe

Auch in der Causa Amis war es der Oberste Gerichtshof (OGH), der entschieden hat, dass die AeW Schadenersatz leisten soll. Innerhalb der AeW hat das für einen Aufschrei gesorgt. Denn sie sollte laut Gesetz nur einspringen, "wenn eine Wertpapierfirma rechtswidrig Kundengelder gehalten hat und in die Pleite geschlittert ist" , wie es ein Involvierter zusammenfasst. Das sei aber weder bei Amis (der Betrug sei im Ausland passiert, das investierte Geld liegt in Luxemburg) noch bei AvW der Fall, daher sehe man nicht ein, dass man in diesem Fall "für die schwarzen Schafe zahlen muss" .

Bei all den Streitereien geht es auch noch darum, ob die Republik haftet. Denn sowohl bei Amis als auch bei AvW wird dem Bund vorgeworfen, die Firmen schlecht beaufsichtigt zu haben, womit ein Amtshaftungsfall ausgelöst wäre. Auch diesbezüglich laufen gerichtliche Klärungsversuche - im Fall Amis schon in der zweiten Runde. Hier hat der OGH zwar im Sinne der Anleger entschieden, aber an die Erstinstanz zurückverwiesen. Nach weiteren Einvernahmen und einem Gutachten haben die Richter Fehlverhalten der Behörden festgestellt, sagt Anlegeranwalt Harald Christandl zum Standard. Die zweite Instanz habe das bestätigt, die Republik Revision eingelegt - und jetzt heißt es wieder: warten.

Die Krux an der ganzen Sache: Die EU schreibt eine funktionierende Anlegerentschädigung vor, wenn in einem Land Wertpapierfirmen tätig sind. Es muss also eine Lösung für die dahinschlitternde AeW geben, weil sonst quasi eine "AeW-neu" aus dem Boden gestampft werden müsste.

In den bisherigen Verhandlungen haben sich die Wertpapierfirmen zwar bereit erklärt, mehr in die AeW einzuzahlen - im Moment bringen die rund 100 Wertpapierfirmen jährlich 2,5 Promille ihrer fixen Gemeinkosten in die AeW ein. Im Gegenzug fordern sie aber Sicherheiten von der Republik, etwa in Form von Haftungen. Die Verhandlungen wurden am Montag einmal mehr vertagt. Fakt ist: Die Regierung hat einen Vorschlag auf den Tisch gelegt, die Frage der Sicherheiten scheint aber der Knackpunkt zu sein.

Ein Rechtsstreit über die Entschädigung der Anleger tobt aber nicht nur bei Amis. In der Causa Meinl European Land gibt es tausende Kläger, die ihr Investment wegen "Irrtum" rückgängig machen wollen, Sammelklagen aus den Fällen Immofinanz oder Madoff werden die Gerichte ebenfalls noch lange beschäftigen. DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29.3.2011)