Tunis/Madrid - Der typische Tunesier, die typische Tunesierin ist um die Sicherheit besorgt, will sich an der Politik beteiligen, kennt aber kaum Parteien und will auf gar keinen Fall einen starken Präsidenten: Dieses Bild ergibt sich aus der ersten repräsentativen Umfrage, die nach der Revolution am Montag vorgestellt wurde. Durchgeführt wurde sie von dem in Tunis ansässigen Institut Global Management Services.

Die Studie ergibt ein erstaunlich homogenes Bild: Von der neuen, demokratischen Zukunft haben die Befragten eine klare Vorstellung. Nur 16 Prozent wollen einen starken Präsidenten. 41 Prozent setzten auf eine rein parlamentarische Demokratie, 39 Prozent wären mit einem gemischten System einverstanden.

Arbeiter und Angestellte, Arbeitslose und Studenten sowie die Bevölkerung im armen Landesinneren, wo die Revolte gegen Ben Ali im Dezember ihren Ausgang nahm, sind überdurchschnittlich von einer parlamentarischen Demokratie angetan.

Die am 24. Juli zur Wahl stehende verfassunggebende Versammlung müsse sich, so die Mehrheit, nach Ausarbeitung eines neuen Grundgesetzes auflösen. Fast 60 Prozent sehen den Übergangsprozess zur Demokratie in guten Händen. Zwei Drittel wollen sich aktiv am politischen Leben beteiligen, fast die Hälfte definiert sich als "politische Mitte" .

Parteien kaum bekannt

Viele Tunesier kennen nach 23 Jahren der Zensur die Parteien kaum. Am bekanntesten ist neben dem Chef der Übergangsregierung Béji Caid Essebsi der Führer der islamistischen Ennahda, Rachid Ghannouchi. Doch diese Bekanntheit nützt ihm nur wenig: Auf die Frage, von welchem Politiker sie sich am weitesten entfernt fühlen, antworten die Tunesier ebenfalls "Rachid Ghannouchi" . Und nur 6,9 Prozent halten den Islamisten für den "rechtschaffensten oder ehrlichsten" Politiker im Land. (Reiner Wandler/DER STANDARD, Printausgabe, 29.3.2011)