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So sehen Sieger aus: Guido Westerwelle und Angela Merkel erhalten die Rechnung für ihre Koalitionsregierung.

Foto: APA/EPA/Knosowski

Die Abwahl der schwarz-gelben Regierung in Baden-Württemberg bringt Kanzlerin Angela Merkel - und noch viel stärker - ihren Vize Guido Westerwelle (FDP) unter Druck. Doch sie wollen noch keine Konsequenzen ziehen.

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Am Montagmittag sieht die deutsche Kanzlerin Angela Merkel für eine Sekunde so aus, als wolle sie Stefan Mappus (CDU), den abgewählten Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, von der Bühne im Berliner Konrad-Adenauer-Haus stoßen. Aber natürlich passiert das nicht. Stattdessen bedankt sich Merkel höflich für seinen Einsatz im Wahlkampf, es gibt sogar einen bunten Blumenstrauß.

Mappus selbst will zu diesem Zeitpunkt noch nicht sagen, wie seine persönliche Zukunft aussieht - ob er nun in Stuttgart den Oppositionsführer geben will oder nicht. Erst gegen Abend macht er klar, er wird im Mai als CDU-Landeschef abtreten. Viele in der Partei sind der Meinung: Wenn Mappus im Wahlkampf ein wenig verbindlicher und nicht wie ein Haudrauf aufgetreten wäre, dann hätte es Schwarz-Gelb vielleicht geschafft, sich an der Macht zu halten.

Wie es Mappus geht, kann Merkel wohl nachvollziehen. "Den tiefen, schmerzlichen Einschnitt kann man sicherlich nicht an einem Tag verkraften" , sagt sie. Auch andere in ihrer Partei tun sich damit recht hart. Zwar wird Merkel von niemandem in der ersten oder zweiten Reihe angegriffen, doch der Wirtschaftsflügel äußert doch deutlichen Unmut.

"Die Menschen wissen nicht mehr, wofür diese Regierungskoalition steht. Erst werden die Atomlaufzeiten verlängert, dann wird diese Entscheidung wieder ausgesetzt. Die Menschen fragen sich: Wissen die eigentlich noch, was die da tun?" , kritisiert Josef Schlarmann, der Präsident der Mittelstandsvereinigung von CDU/ CSU, der auch im CDU-Bundesvorstand sitzt.

Hans Michelbach (CSU), Vorsitzender der bayerischen Mittelstands-Union, verlangt nun, um aus dem Tief herauszukommen, eine "klare und verlässliche Linie" . Denn: "Die Verunsicherung war im Wahlkampf in Baden-Württemberg mit Händen zu greifen." Zur Sicherheit, um eine Personaldebatte gleich im Keim zu ersticken, stellt CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe klar: "Die Union steht geschlossen zu Angela Merkel."

Guido Westerwelle, FDP-Chef und Vizekanzler sowie Außenminister, hat diesbezüglich weniger Glück. In seiner FDP rumort es nach dem Wahldebakel deutlich lauter - zumal die FDP nicht nur in Baden-Württemberg aus der Regierung flog, sondern in Rheinland-Pfalz gleich aus dem Landtag.

In Berlin fordert FDP-Vorstandsmitglied Alexander Pokorny den Rückzug Westerwelles am FDP-Parteitag im Mai. Der schleswig-holsteinische Fraktionschef Wolfgang Kubicki verlangt eine Debatte über die gesamte Führungsspitze und kritisiert, vor allem der Vorsitz der Bundestagsfraktion sei mit der aus Baden-Württemberg stammenden Birgit Homburger "komplett fehlbesetzt" . Auch der Chef der Jungen Liberalen, Lasse Becker, sagt, bei der nun anstehenden Diskussion dürfe "nichts und niemand" ausgelassen werden.

Westerwelle gibt sich am Tag nach dem Wahldebakel zwar selbstkritisch und erklärt: "Wir können nicht zur Tagesordnung übergehen. Wir werden jetzt einen geordneten Diskussionsprozess haben." Einen sofortigen Rücktritt oder die Aussicht auf Rückzug lehnt er jedoch ab. Vielmehr will Westerwelle am 11. April mit den liberalen Gremien eine Entscheidung treffen, wie es nun mit der Führungsspitze der FDP weitergehen soll.

Einen Monat später findet in Rostock ein FDP-Wahlparteitag statt. Dieser könnte für Westerwelle die Möglichkeit zum Rückzug als FDP-Chef bieten. Allerdings gibt es hinter ihm keinen eindeutigen Kronprinzen. Nach den parteiinternen Unruhen im Dezember und Jänner war spekuliert worden, Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) könnte den Parteivorsitz vorübergehend übernehmen und dann ein wenig später an den noch recht jungen Generalsekretär Christian Lindner übergeben.

Doch diese Option darf als nicht mehr gültig betrachtet werden. Denn durch eine Indiskretion war kurz vor der Wahl bekanntgeworden, dass Brüderle im Kreise deutscher Industrieller erklärt hätte, das von Merkel und Westerwelle ausgerufene Atommoratorium sei ohnehin nur Wahlkampftaktik. In Rheinland-Pfalz, wo Brüderle FDP-Chef ist, flogen die Liberalen aus dem Landtag. Jetzt gibt Brüderle den FDP-Landesvorsitz ab.

Doch als Minister will er nicht zurücktreten, er soll auch kein Bauernopfer sein. Merkel erklärte am Montag nach dem Wahldesaster, sie plane keine Kabinettsumbildung. Sie richtet den Blick auf den 15. Juni. Da soll das neue Energiekonzept der Bundesregierung stehen - mit weniger Atomkraft als bisher. (Birgit Baumann aus Berlin/DER STANDARD, Printausgabe, 29.3.2011)