Rückkehrer aus dem Exil: Ali Tarhouni.

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Er hat Familie und Studenten in den USA überstürzt verlassen, um sich in seiner umkämpften Heimat Libyen zu engagieren. Wie lange er, der renommierte Wirtschaftsprofessor Ali Tarhouni, wegbleiben wird, weiß er nicht.

Tarhouni ist für den Raum Bengasi seit wenigen Tagen "Minister" für Finanzen, Wirtschaft und Erdöl. Damit ist er zuständig für Löhne und Infrastruktur im "neuen Libyen" . Noch besteht nicht einmal Klarheit, wie sein Titel genau lautet. Während die einen von "Krisenteam" sprechen, benützen andere den Begriff "Übergangsregierung" . Klar ist jedoch die Funktion als exekutiver Arm des Nationalen Übergangsrates.

Bis jetzt sind sechs Portfolios definiert, aber erst drei sind besetzt. Die Arbeit aller ist darauf ausgerichtet, auch den Rest des Landes von der Besetzung zu befreien, wie sich Tarhouni ausdrückt, und Soforthilfe für die zurückgewonnenen Städte bereitzustellen, im Moment vor allem für Ajdabiya. Dabei soll nichts unternommen werden, was eine permanente Teilung des Landes präjudizieren könnte, und auch die eingefrorenen Gelder des staatlichen Ölfonds werden nicht angetastet, da diese allen Libyern gehören.

Tarhouni ging mit Elan an seine Aufgabe, man merkt ihm an, dass er es kaum erwarten konnte, am Aufbau eines freien Landes mitzuarbeiten.

Die eiserne Faust von Gaddafis Regime hat der aus einem Dorf in der Umgebung von Bengasi Stammende schon als Student zu spüren bekommen, mehrmals wurde er suspendiert und inhaftiert. 1973 verließ der heute 61-Jährige Libyen, um in den USA seine Studien fortzusetzen. Nach der Aberkennung der Staatsbürgerschaft wurde er in Abwesenheit zum Tode verurteilt.

Der neue Minister ist Professor an der Foster School of Business der Washington University in Seattle, sein Spezialgebiet ist die Finanzpolitik. Während des Dotcom-Booms erlitt auch er mit einer eigenen Firma Schiffbruch, wie er mit viel Selbstironie erzählt. Während all seiner Jahre in den USA blieb er in der libyschen Exil-Opposition aktiv.

Das größte Problem sei im Moment nicht die Liquidität des Rumpfstaates, sondern die Unsicherheit. Tarhouni will deshalb vor allem dafür sorgen, dass der Privatsektor schnell wieder Vertrauen fasst. Im Rebellengebiet fließt nach wie vor noch genug Öl, um die laufenden Kosten im Land zu decken. Mehr zu schaffen macht ihm hingegen das Erbe der Gaddafi-Zeit in den Köpfen der Bürokraten.

Priorität Krisenmanagement

Wie das Wirtschaftssystem aussehen wird, das definiert in seinen Worten die Politik. In einem demokratischen Staat, in dem die Grundrechte garantiert sind und der eine starke Zivilgesellschaft hat, werde das Wirtschaftssystem diesem Modell folgen.

Über Wiederaufbau möchte Tarhouni noch gar nicht reden. Momentan ist Krisenmanagement angesagt. Sollte aber in drei bis vier Wochen das Gaddafi-Regime nicht fallen, müssten neue Strategien entwickelt werden, räumt der "Superminister" in Bengasi ein. (Astrid Frefel aus Bengasi/DER STANDARD, Printausgabe, 29.3.2011)