Sie gibt die Sarah Bernhardt: Erni Mangold liegt auf einer kostbaren Chaiselongue. Der französische Atlantikabend bricht über die größte Tragödin ihrer Epoche, ach was: aller Zeiten herein. Die Mangold hält in dem Stück Memoiren des Kanadiers John Murrell Rückschau auf das Leben der Bernhardt. Und weil die Mangold so gar nichts von verflossener Salonkultur an sich hat, von Gärten, in denen Pfauen prismenäugig Räder schlagen, lebt Michael Schottenbergs Inszenierung im Volkstheater in den Außenbezirken zuerst einmal vom Witz des Kontrasts: Mangold wäre in einem Samuel-Beckett-Stück gewiss besser aufgehoben als in diesem (alles in allem) mühsamen, geschwätzigen Wiederbelebungsversuch einer Vita, die uns - aber auch die Mangold - nicht viel angeht. Die Bernhardt muss, weil sie ihre Memoiren schreibt, die ewige Schaustellerin geben. Sie hat einen wunderbar hüftsteifen Leibkammerdiener (Erich Schleyer) zum Sekretär, der mit grandseigneuraler Harthörigkeit und verschnupfter Renitenz in die Rollen der Bernhardt'schen Widersacher schlüpft. Niemand ist komischer anzusehen als Schleyer, der seine Oscar Wilde'sche Haarwelle mit einem Fächer hochwirbelt. Niemand berührt mehr als Erni Mangold, die ihre weizenblonden Haare ins Gesicht strähnt, um die Diva als Viper zu zeigen, als Vamp, als Kind, das mit dem Bühnentod jongliert und noch im privatesten Verband nach Wirkung lechzt. Nun wollen wir aber wieder mehr die Mangold sehen: ihr proletarisches, hartes, kluges Selbst. (poh, DER STANDARD - Printausgabe, 29. März 2011)