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Joseph Lelyveld: "Great Soul: Mahatma Gandhi And His Struggle With India", 448 S., Knopf 2011.

Foto:Knopf/AP/dapd

Neu Delhi - Eine neue Gandhi-Biografie des ehemaligen Chefredakteurs der "New York Times", Joseph Lelyveld, sorgt für heftige Kontroversen. Lelyveld verwahrt sich vehement gegen Vorab-Berichte britischer und US-Medien, wonach er den indischen Unabhängigkeitskämpfer als einen rassistischen Bisexuellen darstelle, der seine Frau für einen Mann verlassen habe. "Ich behaupte weder, dass Gandhi rassistisch, noch, dass er bisexuell war", erklärte der Autor am Dienstag über seinen Verleger Alfred A. Knopf. Indische Zeitungen hatten wütend auf entsprechende Vorab-Berichte der englischsprachigen Presse reagiert.

Gefundenes Fressen

Die Biografie "Great Soul: Mahatma Gandhi And His Struggle With India" sollte am Dienstag in den USA erscheinen. Vorab-Berichte von britischen und US-Zeitungen konzentrierten sich vor allem auf vermeintliche Enthüllungen über Gandhis angebliche heimliche Liebe zu dem deutsch-jüdischen Architekten Hermann Kallenbach während Ghandis Zeit in Südafrika. Tatsächlich lebte Gandhi während seiner Zeit in Südafrika rund zwei Jahre lang zusammen mit Kallenbach in Johannesburg. 1914 dann kehrte er in seine Heimat zurück.

Die britische "Daily Mail" titelte: "Neues Buch enthüllt - Gandhi 'verließ seine Frau, um mit einem männlichen Liebhaber zusammenzuleben'". Der "Daily Telegraph" schrieb in seiner Buchkritik, der Held des gewaltlosen Widerstands gegen die britische Besatzungsmacht in Indien habe "rassistische Ansichten gegenüber den Schwarzen in Südafrika vertreten". Laut "Wall Street Journal" beschreibt die Biografie Gandhi als "sexuellen Spinner und politischen Nichtskönner", der sklavisch jedem Trend hinterhergelaufen sei. Lelyveld mache mehr als deutlich, dass Gandhis "Liebe seines Lebens" Kallenbach gewesen sei.

Die Zeitungen berufen sich auf Lelyvelds Zitate aus Briefen des indischen Uanbhängigkeitskämpfers. Darin heißt es unter anderem: "Du hast völlig von meinem Körper Besitz ergriffen. Das ist totale Sklaverei". In einem anderen Brief schreibt er: "Dein Bild (das Einzige) steht auf dem Kaminsims in meinem Schlafzimmer".

Lelyveld wirft den Buchkritikern vor, seine Biografie völlig "entstellt" wiederzugeben. "Das Wort 'bisexuell' taucht kein einziges Mal in meinem Buch auf. Das Wort 'rassistisch' kommt nur einmal vor, um Kommentare Gandhis zu Beginn seines Südafrika-Aufenthalts zu charakterisieren - das Kapitel kommt auf keinen Fall zu dem Schluss, dass er rassistisch war."

Reaktionen in Indien

In Indien stoßen die Buchbesprechungen auf heftige Kommentare. "Westliche Autoren haben eine morbide Faszination für Gandhis Sexleben", sagte sein Urenkel Tushar Gandhi einer Lokalzeitung von Neu Delhi. "Damit können sie ihre Bücher besser verkaufen". Gandhi-Experte Jad Adams, der im vergangenen Jahr mit Enthüllungen über Gandhis angeblich zahllose Affären mit jungen Anhängerinnen für Entrüstung sorgte, wies alle Vermutungen zurück, der indische Held könne bisexuell gewesen sein. "Hätte er 'homosexuelle Akte' begangen, gäbe es mannigfach Hinweise darauf", sagte Adams. Er wies darauf hin, dass Gandhi in seinen Briefen und Predigten häufig den Begriff "Liebe" benutzt habe.

Nach Auffassung des Gandhi-Experten war Kallenbach homosexuell und fühlte sich stark zu Gandhi hingezogen. Gandhi, der mit seiner Frau vier Kinder hatte, habe diese Liebe jedoch nie erwidert. Gandhis Enkelin Tara Bhattacharjee erklärte alle Versuche für "engstirnig, den Mann aufgrund seiner Freundschaften zu diskreditieren, der uns das Geschenk der Gewaltlosigkeit brachte". Indische Buchläden waren sich zunächst nicht sicher, ob sie die Biografie zum Verkauf anbieten sollten. (APA/red)