Die Frage, welche Preise die Töchtergesellschaften in einem multinationalen Konzern einander verrechnen, ist nicht nur für das Management von Interesse. Denn die Gestaltung von Verrechnungspreisen gibt Unternehmen die Möglichkeit, Gewinne von Hoch- in Niedrigsteuerländer zu verschieben und so die eigene Steuerlast deutlich zu reduzieren. Seit Jahren kämpfen Regierungen gegen den Missbrauch solcher Unternehmenspraktiken - und für einen möglichst großen Anteil am Steuerkuchen.

Unter der Führung der OECD hat sich seit den 1990er-Jahren weltweit das "arm's length principle" (der Fremdvergleichsgrundsatz) durchgesetzt: Töchter stellen einander für alle Leistungen die gleichen Preise in Rechnung, die sie auch auf dem freien Markt bezahlen würden. Oft braucht es aufwändige Recherchen, um Fremdvergleiche zu finden, die auch die eigene Steuerbehörde überzeugen.

Aber gerade im Augenblick, in dem sich dieses neutrale Prinzip wirklich durchsetzt - in Österreich traten die strengeren Verrechnungspreisrichtlinien erst 2010 im Kraft -, kommt es auch schon wieder unter Druck, sagt Isabel Verlinden, Verrechnungspreisexpertin bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC in Brüssel. Vor allem in Washington werde der Ruf nach einem alternativen System, das den USA höhere Steuereinnahmen zusichere, immer lauter, und auch in der EU sei dies seit kurzem im Gespräch.

Die Alternative heißt "global formulary apportionment" (globale formelhafte Gewinnaufteilung - GFA) und teilt steuerrelevante Gewinne zwischen den Ländern auf Grundlage von Vermögenswerten, Umsatz und Personalstand der jeweiligen Töchter auf.

Für Verlinden, die vergangene Woche beim Steuerseminar des Instituts für Österreichisches und Internationales Steuerrecht der WU Wien und von PwC sprach, hält diese Entwicklung für besorgniserregend. Denn anders als bei "arm's length"-Preisen würde dies zu einem Verteilungskampf zwischen den Staaten führen, der letztlich den internationalen Freihandel bedroht. "Die Amerikaner wollen eine Änderung, weil sie mehr Steuergelder einnehmen wollen", sagt Verlinden. Dies aber könnte auf Kosten von Handelspartnern geschehen.

Dennoch bewegt sich auch die EU-Kommission weg von der OECD-Empfehlung. Im jüngsten Vorschlag für eine EU-weite einheitliche Bemessungsgrundlage für Körperschaftssteuern (CCCTB) sei nicht das "arm's length principle", sondern eine Art des GFA vorgesehen.

Steuerschonender Transfer

Beim "arm's length principle" seien Konzerne versucht, Abteilungen mit hoher Wertschöpfung - etwa Einkauf - oder Patente und Lizenzen in Niedrigsteuerländer zu transferieren, sagt Verlinden. Dies bringe für andere Staaten einen Steuerverlust.

Die Nachteile des GFA aber seien noch größer, meint Verlinden. Immaterielle Unternehmenswerte wie Goodwill wären etwa komplett ausgenommen, außerdem würde keine Differenzierung in der Qualität des Personals gemacht. All dies sei sehr unbestimmt und basiere nicht auf ökonomischen Prinzipien, meint Verlinden: "Das ,arm's length principle' hat sich als fairer Standard erwiesen. Ich sehe keinen Grund, es über Bord zu werden." (Eric Frey, DER STANDARD, Printausgabe, 30.3.2011)