"Wie eine Einladung an die Leser": Hier endet nun der Gratiszugang - ohne App, die das umgeht.

Foto: STANDARD/Puhr

In den Redaktionskonferenzen um 10 und 16 Uhr kam es am Montag nicht zur Sprache, aber bei den Kollegen war es Gesprächsthema Nummer eins: Wie werden die Leser auf die seit Montag geltende neue Regelung reagieren, dass sie für Online-Artikel der "New York Times" zahlen müssen?

Herausgeber Arthur Sulzberger hatte sich per "Brief an unsere Leser" gewandt und erklärt, dass die New York Times "einen großen Schritt vorwärts macht" mit der Einführung eines digitalen Abosystems: "Das ist ein Investment in unsere Zukunft. Das wird uns erlauben, neue Einkommensquellen zu entwickeln, um unsere journalistische Mission fortführen zu können."

Bis zu 20 Artikel pro Monat sind auf der Website frei zugänglich, Abonnenten haben jedoch weiter Zugang zu den Informationen auf den verschiedenen Plattformen (Web, Smartphones, Tablets). Die volle Online-Nutzungsgebühr beträgt 455 US-Dollar pro Jahr. Allerdings gibt es einige Ausnahmeregelungen, wie das Limit umgangen werden kann: Die Startseite zählt nicht oder Artikel, zu denen man via Suchmaschinen oder soziale Netzwerke wie Twitter gekommen ist.

Seit Mitte des Jahres 2009 wurde darüber diskutiert, Beratungsfirmen wurden engagiert, eine Umfrage unter 20.000 Nutzern wurde studiert. "Wir waren überrascht, wie viele Leser sagten, sie wären bereit zu zahlen. Die Zahl war so groß, dass ich sagte, wir müssen den Test wiederholen", sagt Paul F. Smurl, Vizepräsident für Bezahlprodukte bei nytimes. com. Die Zweifel waren auch deshalb so groß, weil die New York Times zwischen 2005 und 2007 für die Onlinenutzung von Kommentaren und dem Archiv bereits einmal Geld verlangt hatte. Sie hatte trotz 227.000 Abonnenten damit aufgehört, weil die Website-Nutzungszahlen litten.

Print leitet auch online

Für Sulzberger hat die Zeitung am Montag einen der größten strategischen Schritte in der 159-jährigen Geschichte unternommen. In der Zeitung selbst gibt es Befürworter und Gegner, vor allem unter jenen, die in den vergangenen Jahren nytimes.com zum am weltweit häufigsten besuchten Nachrichtenportal ausgebaut haben mit 30 Millionen Unique Clients pro Monat.

Noch nicht gelegt hat sich bei vielen Onlineredakteuren die Enttäuschung darüber, dass sie seit Jänner voll in die Printredaktion integriert sind. Das ist der letzte Schritt eines Prozesses, der vor fünf Jahren begonnen wurde. Die Ressortleiter der Printausgabe haben die Verantwortung für die Onlinekollegen und die -inhalte übernommen, der eigene Online-Newsroom wurde aufgelöst.

Die meisten Journalisten betonen, sie seien froh, dass das Online-Bezahlsystem als "Einladung an die Leser gerichtet ist und keine riesige Mauer aufgebaut wurde", wie Susan Edgerley, stellvertretende Chefin vom Dienst, das Modell beschreibt. Inner- und außerhalb wird der Weg der New York Times als spannendes Experiment im Journalismus betrachtet. Immerhin werden derzeit ein Viertel der Einnahmen durch Online-Inserate erzielt. Wie viele Online-Abonnenten erwartet werden, darüber wird offiziell keine Auskunft erteilt. Intern heißt es, die Latte liege bei 300.000 Abonnenten im ersten Jahr. (Alexandra Föderl-Schmid aus New York/DER STANDARD; Printausgabe, 30.3.2011)