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Der Präsident, der nicht wirklich gewählt wurde: Behgjet Pacolli.

Foto: epa/VALDRIN XHEMAJ

Prishtina/Sarajevo - Das Urteil des Verfassungsgerichtshofs im Kosovo, wonach die Wahl des Präsidenten Behgjet Pacolli vor fünf Wochen ungesetzlich war, ist ein gutes Zeichen. Denn es zeigt zumindest in diesem Fall die Unabhängigkeit der Justiz von politischen Kräften und damit eine gewisse institutionelle Integrität. Tatsächlich waren ja erst im dritten Wahlgang und nach massiver politischer Druckausübung genügend Mandatare im Parlament anwesend.

Zweitens setzten die Verfassungsrichter aber einem geschmacklosen politischen Deal ein vorläufiges Ende. Dem Selfmade-Millionär Pacolli mangelte es von Anfang an an Legitimität für das Amt des Präsidenten, nämlich an moralischer Autorität. Seine Wahl war Teil eines Abkommens, das die Koalition mit der PDK von Premier Hashim Thaçi besiegelte, in der sich aber nicht der Wille des Volkes spiegelte. Selbst Pacollis Partei, die AKR, wird nur von seinem Geld zusammengehalten.

Nun war die Verfassung stärker als dieses Bindemittel. Die Regierung und Thaçi sind durch das Urteil schwer angeschlagen. Es gibt nun zwei Optionen: Entweder Thaçi versucht eine neuerliche Wahl von Pacolli - mit welchen Mitteln auch immer - durchzusetzen, um seine Koalition und sich zu retten. Damit würde sich ein Konzept zynischen Schacherns erneut durchsetzen. Oder es kommt zu Neuwahlen des Parlaments oder wenigstens zu einer ernsthaften Präsidentschaftswahl mit mehr als einem Kandidaten.

Der Premier hat in jedem Fall weiter an Glaubwürdigkeit verloren, die durch die Mafia-Vorwürfe des Europarats-Berichterstatters Dick Marty und die Wahlfälschungen vergangenen Herbst ohnehin bereits sehr gering war. Es ist denkbar, dass die USA Thaçis historisches Verdienst, nun den Dialog mit Serbien begonnen zu haben, als Abschluss seiner Mission betrachten und auf eine neue Führungsfigur setzen.

Für Neuwahlen spricht auch, dass am 1. April die Volkszählung, die realistischere Wahllisten ermöglichen sollte, beginnt. Für einen Machtwechsel spricht die Verhaftung von neun Ex-Kämpfern der Befreiungsarmee UCK wegen Kriegsverbrechen durch die EU-Mission Eulex vor wenigen Tagen - unter ihnen der PDK-Mann Fatmir Limaj.

Der Schritt von Eulex ist wegweisend. Denn bisher waren UÇK-Leute im Kosovo unantastbar. Wer das gängige Narrativ störte, galt als Verräter. Auch jetzt gehen viele Leute gegen Eulex auf die Straße, der Prozess der Auseinandersetzung mit den Verbrechen auf kosovo-albanischer Seite hat dennoch begonnen. Die EU-Mission rückt damit auch von der bisherigen Strategie "Stabilität zuerst" ab und fordert Rechtsstaatlichkeit ein - ein echter Fortschritt.

Gleichzeitig fordern immer mehr Kosovaren eine Emanzipation des jungen Staates. Tatsächlich stellt die Entscheidung der Verfassungsrichter im Fall Pacolli auch die Politik der allmächtigen US-Botschaft infrage, die den Deal genauso zu verantworten hat wie Thaçi. Für politische Analysten wie Avni Zogiani ist US-Botschafter Christopher Dell ein "Hindernis für die Demokratie im Kosovo", so Zogiani zum Standard, zumal er ohne Mandat agiere.

Doch der Ruf nach "echter Unabhängigkeit" kommt nun auch aus einer anderen Ecke. Etwa von jenen, die um Macht und Reputation fürchten müssen, je ernsthafter Eulex gegen mutmaßliche Verbrecher vorgeht. (Adelheid Wölfl/DER STANDARD, Printausgabe, 30.3.2011)