Und wie kann ein Rechtspopulist wie Nicolas Sarkozy künftig gegen eine Gegnerin reüssieren, die ihm, anders als ihr rechtsextremer Vater, auf seinem eigenen politischen Terrain, dem Rechtspopulismus, entgegentritt?

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Als der damalige französische Präsident Jacques Chirac im Frühjahr 2000 die EU-Sanktionen gegen Österreich einleitete, beging er einen schweren Fehler. In Österreich war die Empörung über Chiracs Haltung groß, doch kaum jemand versuchte zu hinterfragen, welche innenpolitischen Motive den Präsidenten antrieben.

Denn sein Fehler bestand hauptsächlich darin, die populistische Partei Jörg Haiders mit einer extremen Rechtspartei zu verwechseln, wie er sie aus seinem eigenen Land kannte. In seiner langen politischen Karriere hatte sich Chirac stets geweigert, mit der extremen Rechten zu verhandeln, ja auch nur zu reden. Mit dieser Ablehnung rechtsextremen Gedankenguts lag er auf einer Linie, die in Frankreich vom gesamten konservativen Lager seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs verfolgt wurde. Spätestens seit dem Résistance-Helden Charles de Gaulle, auf den sich Chiracs gaullistische Partei stets berief, war jeglicher Kontakt mit politischen Vertretern rechtsextremistischer Bewegungen verpönt. Für die Gaullisten galten Parteien wie Jean-Marie Le Pens Front National als ideologische Erben des Vichy-Kollaborationsregimes, als Staatsverräter sowie als überzeugte Rassisten und unverbesserliche Antisemiten, mit denen zu diskutieren einfach nicht erlaubt war.

Jean Marie Le Pen selbst hat aus seinen ideologischen Überzeugungen nie ein Hehl gemacht. So hat er immer wieder den Holocaust verniedlicht, indem er beispielsweise behauptete, die Gaskammern seien nur ein "Detail der Geschichte" . Auch hat sich Le Pen niemals davor gescheut, Aussagen zu treffen, die ihm Stimmen kosten konnten. So geschehen während der Fußballweltmeisterschaft 1998, als er von der siegreichen französischen Mannschaft behauptete, sie bestehe hauptsächlich aus Afrikanern und Arabern und nicht aus Franzosen. Dass alle Spieler (bis auf einen) in Frankreich geboren waren, und somit nach französischem Recht als Franzosen zu gelten haben, kümmerte ihn dabei genauso wenig, wie die Tatsache, dass ein Volk im sportlichen Siegestaumel so etwas nicht hören wollte.

Aber Jean Marie Le Pen war eben alles andere als ein Populist. Er war ein radikal-ideologischer Rechtsextremist, der seinen Überzeugungen jahrzehntelang treu blieb, und ist daher politisch ganz wo anders anzusiedeln ist, als Haider. Dieser scheute zwar nicht davor zurück, Österreich als "nationale Missgeburt" zu bezeichnen und die "ordentliche Beschäftigungspolitik des Dritten Reichs" zu loben, doch tätigte er solche Aussagen nur zu einer Zeit, als noch genügend Ewiggestrige am Leben waren, deren Stimmen er benötigte.

Als sich Chirac nach dem Ende zweier Legislaturperioden zurückzog und das Feld für Nicolas Sarkozy räumte, war sich dieser des Vakuums einer fehlenden populistischen Rechten in Frankreich sehr wohl bewusst. Schon als Innenminister bediente sich Sarkozy populistischer Vereinfachungsstrategien, pflegte das Bild des starken Mannes und vermischte vorsätzlich Sicherheits- mit Einwanderungspolitik. Der Erfolg bei den Präsidentschaftswahlen 2007 gab ihm recht: Durch Sprüche und Slogans, die er von Le Pen abkupferte, drängte er diesen weiter an den rechten Rand - und gleichzeitig in die politische Bedeutungslosigkeit. Als danach ein provokanter Journalist dem zur Vulgarität neigenden Le Pen die Frage stellte, ob er denn nicht das Gefühl habe, von Sarkozy gef.... worden zu sein, antwortete dieser schlagfertig: "Nicht mich, sondern meine Wähler hat er gef..."

Indem er populistische Themen und Strategien aufgriff, hat Sarkozy auf anderem Weg dasselbe probiert, wie Schüssel in Österreich, nämlich den Populismus in die Regierung zu holen. Wahltechnisch ging das so lange gut, als ihm eine Front National gegenüber stand, deren Vorsitzender der Ideologe Jean Marie Le Pen war, der von allen politischen Lagern sowie zahlreichen Journalisten und Medien gemieden wurde.

Nun ist jedoch alles anders. Denn Jean Maries Tochter Marine hat die extremen Positionen ihres Vaters niemals gutgeheißen und sich sogar wiederholt davon distanziert. Le Pens Tochter wirkt heute kaum radikaler als Nicolas Sarkozy oder einige Leute in seiner Regierung. Wodurch es für Journalisten und Politiker aller Couleurs immer schwieriger wird, sie so zu auszugrenzen wie einst ihren Vater.

Und für Sarkozy als ersten Präsidenten der Fünften Republik, dem eine rechtspopulistische Oppositionspolitik gegenübersteht, wird es schwieriger werden, mit den Ängsten von Wählern zu punkten, die ihre Stimme dann doch lieber dem oppositionellen Original geben - noch dazu wenn es den Namen Le Pen trägt - als einer regierenden Kopie. Im Unterschied zu ihrem Vater ist es Marine Le Pens erklärtes Ziel, auf irgendeine Weise an die Macht zu kommen. Mit ihr geht die Zeit des ideologischen Rechtsextremismus in Frankreich zu Ende. Und es beginnt eine Ära des Rechtspopulismus, wie man ihn in Österreich schon lange kennt.

Ob darin nun ein kleineres Übel zu sehen ist oder die noch größere Gefahr, steht auf einem anderen Blatt.  (DER STANDARD, Printausgabe, 30.3.2011)