Wiener Neustadt - Nach zwei Wochen Pause ist der Libro-Prozess in Wiener Neustadt am
Mittwoch mit der Befragung weiterer ehemaliger Mitarbeiter der vor knapp zehn
Jahren in den Konkurs geschlitterten Buch- und Papierhandelskette fortgesetzt
worden. Dabei ging es vornehmlich um die damals als Retourwarenlager dienende
"Filiale 99" - laut zwei dort beschäftigten Zeugen herrschte ein
"Chaos".
Im Lager sei "viel Ware herumgestanden", sagte ein für die
Filiale 99 zuständiger Lagerist. Genaue Zahlen der Werte habe er nicht bekommen.
Es habe ein Durcheinander geherrscht, viele Korrekturbuchungen hätten
vorgenommen werden müssen. "Ja, man kann es als Chaos bezeichnen", meinte er.
Diesen Eindruck bestätigte auch sein dort ab 1998 tätiger Vorgänger, der vom
"schlimmsten Arbeitsplatz" seiner Berufslaufbahn sprach. Er berichtete, dass es
ständig Einsammlungen von Waren aus den Filialen gegeben hatte. Die Waren wurden
geschlichtet, alte Bücher sortiert und zum Abverkauf wieder auf die Filialen
aufgeteilt. Laut seiner früheren Aussage seien Waren "virtuell" an Lieferanten
retourniert und dafür Belastungsnoten ausgestellt worden. Zur Inventur sollte
die Filiale 99 leer sein.
Drei Lkw-Züge voller Energy-Drinks
Einen Warenstand von 76 Mio. Schilling (laut
Jahresabschluss 1998/99) konnte sich der Zeuge nicht vorstellen: "So viel Platz
wäre dort gar nicht gewesen." An die - wegen der vorliegenden Mengendiskrepanz
im Verfahren bereits mehrfach hinterfragten - Godzilla-Feuerzeuge konnte er sich
erinnern: "Ja, es gab sehr viele. Wir hatten alle welche." Ob es tatsächlich -
laut Liste - 1,3 Millionen Stück waren, wusste er nicht. Im Schnitt seien 300
bis 500 Paletten im Lager gewesen. "Körperlich leer" sei die Filiale 99 nie
gewesen. Auch Godzilla-Energy-Drinks habe es gegeben, die Menge von 500.000
Stück - laut Richterin Birgit Borns entspräche das der Ladung von drei Lkw-Zügen
- habe er nicht gesehen.
Wie bei vorangegangenen Zeugenaussagen traten
auch am 19. Verhandlungstag Erinnerungslücken hinsichtlich diverser
Abläufe im Unternehmen zutage. "Es ist einfach zu lange her", meinte ein
Lagerist entschuldigend. Eine von 1998 bis April 1999 in der Finanzbuchhaltung
Beschäftigte gab an, bemerkt zu haben, dass Lieferanten nicht bezahlt werden
konnten bzw. von einer Kollegin am Telefon "vertröstet" wurden. Laut ihrer -
sechs Jahre zurückliegenden schriftlichen Aussage - zog sie die
Schlussfolgerung, dass Lieferantenrechnungen aufgrund fehlender Liquidität nicht
beglichen werden konnten. Die Außenstände bei den Banken seien damals sehr hoch
gewesen.
(APA)