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Vor dem Dreikönigstreffen gab es schon Rückzugsaufforderungen an Guido Westerwelle. Damals ignorierte er sie. Jetzt meinen wieder viele, er solle gehen - gleich oder beim Parteitag im Mai.

Foto: Reuters/Tobias Schwarz

In Baden-Württemberg aus der Regierung gejagt, in Rheinland-Pfalz aus dem Landtag geflogen - die Bilanz des vorigen Superwahlsonntags ist für die deutschen Liberalen ernüchternd. "Wir haben verstanden", erklärte FDP-Chef Guido Westerwelle danach kurz und knapp. Und er versprach eine ausführliche Analyse des Desasters.

Doch viele seiner Parteifreunde wollen sofort personelle Änderungen. Aus den Unmutsäußerungen der ersten Tage nach der Wahl droht eine offene Revolte zu werden. "Wer als Parteivorsitzender Schicksalswahlen verliert, muss als Parteivorsitzender Konsequenzen ziehen", sagt Jorgo Chatzimarkakis, EU-Abgeordneter und Vorstandsmitglied, im Stern. Einen Nachfolger an der Spitze der FDP schlägt Chatzimarkakis auch gleich vor: Generalsekretär Christian Lindner. "Er traut sich, gegen den Strich zu bürsten und die Wahrheit auszusprechen. Er kettet sich nicht sklavisch an die Union, wie es Westerwelle getan hat", sagt Chatzimarkakis und gibt Westerwelle noch den Rat, die Angelegenheit nicht zu unterschätzen. Denn: "In der Partei brodelt es."

Julis für Westerwelles Rückzug

Auch mehrere Landesverbände der Jungen Liberalen (Julis) sind für Westerwelles Rückzug zu Gunsten von Lindner. "In der Personaldiskussion darf niemand ausgespart werden, auch nicht der Parteivorsitzende", erklärt Henning Höne, Juli-Chef von Nordrhein-Westfalen. Die bayerische FDP-Landtagsabgeordnete Renate Will fordert Westerwelle ebenfalls auf, sein Amt abzugeben: "Wir dürfen jetzt nicht nur reden, sondern müssen auch Taten folgen lassen. Guido Westerwelle soll auf dem Parteitag im Mai sein Amt zur Verfügung stellen." Sie jedoch hält Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger für eine geeignete FDP-Vorsitzende.

Westerwelle selbst versucht laut Medienberichten sich selbst zu retten, indem er andere opfert: Der glücklose Wirtschaftsminister Rainer Brüderle soll von Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) abgelöst werden, auch die viel kritisierte Fraktionschefin Birgit Homburger soll den Hut nehmen.

Nicht untätig ist auch der von vielen als Westerwelle-Nachfolger favorisierte Generalsekretär Lindner. Er überrascht gerade mit einem neuerlichen rasanten Atom-Schwenk. Er will jetzt jene acht alten Atommeiler, die aufgrund des Atommoratoriums bereits vom Netz genommen wurden, gar nicht mehr hochfahren. Seine Begründung: Die Atomenergie habe an öffentlicher Akzeptanz verloren, die Politik müsse sich mehr an den Wünschen der Bürger orientieren. Die von Kanzlerin Angela Merkel angekündigte Atom- und Energie-Analyse will Lindner offenbar gar nicht mehr abwarten.

Atomschwenk "Todesurteil"

Mit dieser Kehrtwende stieß Lindner manchen in der Partei vor den Kopf. Sachsens FDP-Partei- und Fraktionschef Holger Zastrow warnt vor einem "linksökologischen Kurs" und sagt: "Wir sollten aufhören, unsere eigenen Wähler zu verwirren. Wenn wir als FDP nur der Mehrheitsmeinung hinterherrennen, dann kommt das einem Todesurteil gleich." Es gibt aber auch viel Zustimmung, etwa von Leutheusser-Schnarrenberger und dem Landeschef von Nordrhein-Westfalen, Daniel Bahr. (Birgit Baumann aus Berlin/DER STANDARD, Printausgabe, 31.3.2011)